Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
Vom Netzwerk:
in der Verkürzung der Informations- und Transportwege, in einem Zuwachs an Begegnung und Kommunikation, sondern auch im Austausch höchst unliebsamer oder gefährlicher »Errungenschaften«. Fortschritt kann ansteckend sein, aber Krankheiten sind es erst recht, und die Intensivierung von Kontakten spielt ihnen in die Hände.
    So kam zwar ein bunter Strauß an Innovationen von der Papierherstellung bis zur chemischen Destillation und vom Steigbügel bis zur Oper aus Fernost nach Europa, aber – als besonders brisante »Exportartikel« aus China, das dem scheinbar hochzivilisierten Westen zu dieser Zeit in fast allen Lebensbereichen überlegen war – eben auch das Schießpulver und, nicht weniger folgenreich, die Pest.
    Lange vor der Erfindung der Feuerwaffen in Europa, möglicherweise schon seit dem dritten Jahrhundert v. Chr., hatten chinesische Alchimisten mit explosiven Mischungen experimentiert. Die Entdeckung des Schießpulvers dürfte um das Jahr 800 erfolgt sein, es diente aber nur zu Feuerwerkszwecken, primitive Flammenwerfer wurden in Byzanz schon 678 eingesetzt. Spätestens ab 1182 waren bei kriegerischen Auseinandersetzungen chinesische »Feuerlanzen« als Offensivwaffen im Einsatz: Mithilfe eines Abschussrohrs aus Bambus ließ sich eine Pfeilsalve abfeuern. Erst Armeen der Ming-Zeit jedoch verfügten im 14. und 15. Jahrhundert über Reiterregimenter mit Feuerwaffen.
    Das »explosive« Grundwissen dafür dürfte aber deutlich früher, das heißt Mitte des dreizehnten Jahrhunderts – vermutlich im Zusammenhang mit den Mongolenzügen –, über die Seidenstraße in den Westen gelangt sein. Es ist erstaunlich, dass es zwei Franziskanermönche sind, die in Europa am Anfang der Entwicklung von chemischen Schusswaffen stehen. Der Engländer Roger Bacon teilt im Jahr 1242 mit, dass eine Mischung aus Salpeter, Holzkohle und Schwefel explosiv sei. Und der Franziskanerbruder Berthold Schwarz, der eigentlich Gold herstellen will, findet um 1350 das Gleiche heraus und verbessert das Gemisch, indem er Kohle aus Weidenholz statt Haselnussholz benutzt.
    Entscheidend aber ist, dass das Abendland aus eher spärlichen Anfängen heraus in relativ kurzer Zeit eine revolutionierende Waffentechnik entwickelte. Noch vor der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden auf europäischen Schlachtfeldern Kanonen eingesetzt, etwa von den englischen Truppen 1346 gegen die Franzosen bei Crécy. Die Rohre erhitzten sich aber so stark, dass viele der Geschütze explodierten. Der erste Masseneinsatz eines neuen, Kugeln verschießenden Kriegsgeräts erfolgte 1354 in einer Seeschlacht durch die Dänen, und schon 1360 flog das Rathaus der Hansestadt Lübeck in die Luft, weil im Keller die Pulvermagazine lagerten. Zu einer einsatzfähigen Artillerie kam es ab 1420, als man ein schneller brennendes Schießpulver erfunden hatte und nicht mehr mit Kanonenkugeln aus Stein, sondern aus Eisen operierte, so dass ein kleineres Kaliber ausreichte.
    Inzwischen war eine andere todbringende »Mitgift« des Ostens in den durch die Seidenstraße immer näher gerückten Westen gelangt. Aus den Tiefen Zentralasiens kommend, möglicherweise aus der Mandschurei oder sogar Korea, hatte ein Krankheitserreger mit den großen Handelskarawanen das Schwarze Meer erreicht, war dann per Schiff nach Ragusa (heute Dubrovnik), Venedig und Genua weitertransportiert worden und hatte sich von den Hafenstädten aus über den ganzen Kontinent verbreitet. Er trat in drei tödlichen Varianten auf: als Beulenpest mit Schwellungen an Hals, Leisten und Achselhöhlen, als Lungenpest und als Blutvergiftung.
    Der »Schwarze Tod« verbreitet Angst und Schrecken. Zwischen 1347 und 1353 fallen dreißig Prozent der Europäer der Seuche zum Opfer, in den Armenvierteln sogar 62 Prozent der Bevölkerung. Von den geschätzten sechzig Millionen Menschen in Europa sind es etwa 18 Millionen, die das große Sterben nicht überleben. Noch nie hat eine Krankheit eine derart verheerende Wirkung gehabt. In einigen Regionen, vor allem in den Städten, bricht das öffentliche Leben zusammen. Durch die vielen Todesfälle fehlt es an Arbeitskräften, was zu gesellschaftlichen Veränderungen führt: Die Löhne steigen und damit auch die Preise. Hungersnöte sind die Folge. Die stark ausgedünnte Bauernschaft und ihre Leistungen gewinnen an Bedeutung – die

Weitere Kostenlose Bücher