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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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überführt wird, nachdem er gestorben ist, soll man seine Leiche ausgraben und verbrennen. Seine Erben dürfen enteignet werden. Es ist die Idealvorstellung von einem universellen Gottesstaat, die einschließt, dass Kirche und Staat zum Schutz der Religion verpflichtet sind und deshalb auch die physische Vernichtung aller Feinde erlaubt und geboten ist. Erstmals wird die Folter als Instrument der Wahrheitsfindung gestattet. Abweichler werden in aggressiver Rhetorik nicht nur mit Dieben, Räubern und Mördern gleichgesetzt, sondern auch als Schädlinge und Ungeziefer hingestellt, das ausgerottet werden müsse. Dadurch etablieren sich mitten in der Kirche Einschüchterung, Gesinnungsterror und Gewalt.
    Als eigenständiges kirchliches Organ zum Aufspüren und Verfolgen der Häretiker fungiert die Inquisition (lat. inquisitio = Untersuchung, Befragung). In Spanien wird sie ihren furchtbaren Höhepunkt erreichen, wenn der Großinquisitor Tomás de Torquemada, zugleich Beichtvater des Königspaares Isabella I. und Ferdinand II. , 1484 die Szene betritt. Aber auch seine Nachfolger verstehen ihr Handwerk, Schauprozesse zu inszenieren und Scheiterhaufen anzuzünden. Der tausendfache Feuertod gilt als »letzte« Rettung der sonst zur ewigen Verdammnis verurteilten Seelen der Ketzer.
    Die Radikalität dieses Denkens hängt mit der Dämonenfurcht zusammen, die nicht nur in den Köpfen der ungebildeten Massen herrscht, sondern auch von den Eliten geteilt wird. Diese Dämonenfurcht, verbunden mit Höllenangst, lastet über Jahrhunderte hinweg auf dem christlichen Abendland.
    Schon im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts war die Zuständigkeit der kirchlichen Inquisitionsgerichte auf weitere Lebensbereiche ausgedehnt worden. Nicht nur Abweichungen von dogmatischen Lehren und kirchlichen Ritualen werden geahndet, sondern ebenso alle Praktiken, die als Zauberei verstanden werden können, zum Beispiel verdächtige Methoden der medizinischen Heilbehandlung. 1258 erklärt Papst Alexander IV. jede Zauberei zur Häresie. Man glaubt, Zauberer hätten einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und gehörten zur verbrecherischen Vereinigung der »Synagoge des Satans«, die sich auf orgiastischen Hexensabbaten organisiert und die Menschheit bedroht. Deshalb spielt in Hexenprozessen immer wieder die Frage eine Rolle, ob der Delinquent an einem Hexensabbat teilgenommen hat oder nicht.
    Das Kursbuch des Wahnsinns wird erst 1486 erscheinen und es bis ins 17. Jahrhundert hinein zu fast dreißig Auflagen bringen: der »Hexenhammer« des Dominikanerpaters Heinrich Kramer (latinisiert Henricus Institoris ). Der Autor versammelt die grassierenden Vorurteile in einer mund- und selbstgerechten Übersicht und fügt die pseudowissenschaftliche Begründung gleich bei. Der Leser findet klare Regeln und konkrete Handlungsanweisungen, die auf eine systematische Verfolgung und Vernichtung der vermeintlichen Hexen zielen.
    Das Buch ist ein Kompendium und eine Rechtfertigung des Hexenwahns, wie er vor allem in Deutschland auf die Angst vor den Überresten der keltisch-germanischen Naturreligion mit ihrem Glauben an Magie und Zauberrituale zurückgeht. Zu den Besonderheiten dieses Wahns gehört, dass den sogenannten Hexen unterstellt wird, sie beschädigten die männliche Sexualität. In den Hexenprozessen spielt das Weghexen der sexuellen Potenz eine immer wiederkehrende Rolle. Die Frau wird zur Hexe gemacht, die mit dem Teufel Unzucht treibt und dadurch den Dämonen Zugang zum Menschen verschafft.
    Ãœberall lodern die Scheiterhaufen. Die Hexen werden für Unwetter, Viehsterben oder Krankheiten verantwortlich gemacht. Am Anfang des Hexenprozesses steht die Anzeige, auf die das Verhör folgt. Das Geständnis wird in der Regel durch Folter erpresst. Zum Ritual gehört auch die »Nadelprobe«, die das Kennzeichen des Teufels am Körper der Verdächtigen aufspüren soll, einen Leberfleck beispielsweise oder ein Muttermal. Bei der »Wasserprobe« wird die angebliche Zauberin gefesselt in einen Fluss oder einen Weiher geworfen. Damit ist ihr Schicksal besiegelt: Ertrinkt sie, war sie unschuldig, bleibt sie an der Oberfläche, so ist sie mit dem Teufel im Bunde und wird hingerichtet.
    Es gibt jedoch – wenn auch sehr spät und nur vereinzelt – Versuche, Brutalität und Wahnvorstellungen zu bekämpfen. Der Jesuit Friedrich Spee aus Trier

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