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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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entdeckt – wer hätte vor dem »Toröffner« Petrarca etwas für die Schönheit der unberührten, unbezwungenen Natur übriggehabt? Die neue Weltzugewandtheit spiegelt sich auch in der Kunst. Die Porträts werden genauer, authentischer, realistischer, sie zeigen individuelle Gesichts- und Charakterzüge. Wie in der Antike werden die Menschen häufig nackt dargestellt, um die konkrete Körperlichkeit anschaulich zu machen. Die radikalste Veränderung ist der Übergang zur Zentralperspektive. Die Bilder zeigen jetzt eine Wirklichkeit, die vom Maler geplant und nach einem System mathematisch festgelegter Bezugspunkte konstruiert und gestaltet ist. Die Szenerie präsentiert sich nun genau so, wie das menschliche Auge sie wahrnimmt.
    In der Baukunst wird, analog zur veränderten Blickrichtung des Renaissance-Menschen, die eher weltferne Vertikale der Gotik von der erdnahen Horizontalen abgelöst. Es ist vor allem der Goldschmied und Bildhauer Filippo Brunelleschi, der der neuen Architektur durch die Anwendung antiker Formen und durch die Übernahme des Zentralbaus im Gegensatz zur bisher dominierenden Basilika zum Durchbruch verhilft. Als sein Meisterstück gilt die Domkuppel von Florenz, die zum Vorbild für die Peterskirche in Rom wurde und zusammen mit Michelangelos Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle zu den berühmtesten »Wahrzeichen« der Spätrenaissance gehört.
    Das gewaltige Spektrum und die Ranghöhe der Renaissance-Kultur künden nicht nur von der Meisterschaft ihrer Künstler und Autoren. Sie bewahren auch die Erinnerung an die Gönner, Förderer, Stifter und Sponsoren, die aus persönlichem Interesse oder aus Prestigegründen diese schöpferische Entfaltung erst möglich machten.
    Allen voran hat die Familie Medici, durch Grundbesitz, Wollhandel und Bankgeschäfte wohlhabend geworden, über Generationen hinweg den »Kulturbetrieb« zum Blühen gebracht und die Kreativität seiner »Produzenten« – Bildhauer, Architekten, Maler, Dichter – angefacht. Lorenzo de’ Medici, der Florenz nicht nur zur führenden Macht Italiens, sondern auch zu einer Art Kulturhauptstadt der Renaissance machte, hat sich auf diese Weise sogar den Ehrentitel il Magnifico (der Prächtige) erworben. Die Medici stellen in der Folgezeit auch die Päpste Leo X. und Clemens VII. Der Name der Familie wird zum Inbegriff herrschaftlicher Lebensführung, politischer Einflussnahme, wirtschaftlicher Potenz und kulturellen Engagements.
    Das humane Potenzial, die dem Menschen gegebenen Fähigkeiten und Möglichkeiten voll auszuschöpfen ist das Bildungsziel der Renaissance. Die Epoche liefert zwei sehr reale Beispiele, zwei Ausprägungen dafür, wie dieses Ideal an Vollkommenheit in Erscheinung treten kann. Extrem unterschiedliche Beispiele, wie Sie gleich sehen werden – die Skala des Humanen umfasst zwei Pole: Der Mensch ist begabt und erfindungsreich nach beiden Seiten, im Aufbauen und im Zerstören, schlicht gesagt: im Guten wie im Bösen.
    Auf der einen Seite steht der Uomo universale , der »komplette« Mensch sozusagen, das Universalgenie, wie es Leonardo da Vinci bis heute exemplarisch verkörpert. Der Sohn einer Bauernmagd ist nicht nur Maler, Architekt und Bildhauer, sondern auch Naturforscher und Ingenieur. Vorrang hatte für ihn die eigene Beobachtung. Es zählte nicht das überlieferte Wissen, sondern nur das, was er selbst in Augenschein genommen und dann mit dem Verstand überprüft hatte. Gegen das Verbot der Kirche sezierte er in Florenz mehr als dreißig menschliche Leichen, um anatomische Studien zu betreiben und das Zusammenspiel von Knochen, Nerven und Muskeln so genau wie möglich zu untersuchen. Nach seiner Überzeugung konnte ein Künstler nur dann einen Menschen richtig darstellen, wenn er dessen Körperbau intensiv erforscht hatte. Zu den ernüchternden Tatsachen der Wissenschaftsgeschichte gehört allerdings, dass seine höchst exakten Zeichnungen von den Medizinern kaum zur Kenntnis genommen wurden. Nach wie vor gründet sich sein Weltruhm vor allem auf die »Mona Lisa« und das »Abendmahl«.
    Für das große, das echte Genie ist nichts zu klein, zu gering, wenn es darum geht, der Natur auf die Schliche zu kommen und ihre Gesetze zu ergründen. Leonardo untersucht auch das Verhalten von strömenden Flüssigkeiten und die Entstehung von

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