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Unterwegs in der Weltgeschichte

Unterwegs in der Weltgeschichte

Titel: Unterwegs in der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Christian Huf
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– beim Ablegen zu seiner ersten Reise Anfang August 1492 zeigen. Antonio Cabral-Bejarano hat 1825 eines der bekanntesten von ihnen gemalt. Die Segel der drei Karavellen, die die Westroute nach Indien finden sollen, flattern schon im Wind, Tücher und Hüte werden geschwenkt, winkende Menschen am Ufer und an Bord der Schiffe beherrschen die Szene, die der Künstler in einer romantisierenden Balance zwischen Abschied und Aufbruch hält – Aufbruch zu einer Reise, welche die Welt aus den Angeln heben wird.
    Knapp sieben Monate später, Frühjahr 1493, Zeremoniensaal des Palacio Real: In der Altstadt von Barcelona erwarten die Katholischen Majestäten Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon den Mann, den sie beauftragt haben, den Seeweg nach Indien zu erkunden, und der dabei auf eine unbekannte Insel im Westen gestoßen ist. Das Königspaar kann zufrieden sein. Durch seine Heirat im Jahr 1469 waren die beiden bedeutsamsten Königreiche Spaniens miteinander verschmolzen. Gerade wurde die Reconquista , die Rückeroberung muslimischer Territorien auf der Halbinsel, mit der Einnahme Granadas abgeschlossen. Spanien ist auf dem Weg zur Großmacht, und die Majestäten können es sich erlauben, ihre Blicke auf die Welt außerhalb Europas zu richten.
    Kolumbus ist soeben am Hof in Barcelona eingetroffen, um Bericht zu erstatten. Als er den Saal betritt, erheben sich alle, auch die Königin und der König. »Die Königin erlaubte mir, dass ich ihr die Hand küsste«, notiert später der Seefahrer und Entdecker. Der 42-Jährige hat Sinn für die große Inszenierung. Er führt Papageien, exotische Pflanzen und Früchte mit sich sowie Gold in Körnern, rohen Bruchstücken und in Form von Schmuck. Seine Hauptattraktion aber sind lebende »Indios« in Lendenschurz und Federschmuck. Als Indianer bezeichnet man sie, weil Kolumbus sie von den Inseln eingesammelt hat, die er zu Indien zählt.
    Acht Jahre hatte Kolumbus nach einem Geldgeber gesucht, bis er nach vielen vergeblichen Anläufen die Unterstützung der Königin Isabella von Kastilien erreichte. Am Hof von Lissabon hatte er kein Gehör gefunden, weil die portugiesischen Geografen die Unternehmung als waghalsig und unrealistisch taxiert hatten. Sie hielten die Erde, über deren Kugelgestalt kein Zweifel mehr bestand, für deutlich größer, als Kolumbus schätzte. So fielen Ehre und Ausbeute der Neuentdeckung überwiegend den Spaniern zu, die seiner Fehleinschätzung von 3000 Seemeilen und zehn bis zwölf Reisetagen für die westliche Route nach Indien Glauben schenkten. Die tatsächliche Entfernung wären 11 000 Seemeilen gewesen.
    Der Weg über das Meer in den Fernen Osten wurde deshalb so fieberhaft gesucht, weil die Türken 1453 Konstantinopel erobert hatten. Dadurch war für die europäischen Kaufleute der Kontakt mit Indien und China versperrt oder enorm verteuert. Denn die türkischen Zwischenhändler erhoben hohe Auflagen. Es galt also eine Alternative für die Seidenstraße zu finden. Während die meisten anderen Expeditionen zur See darauf zielten, Afrika in Richtung Osten zu umrunden, ging Kolumbus davon aus, man müsse auf der Erdkugel nur lange genug westwärts segeln, um schließlich in den »Ostländern« anzukommen.
    September 1493 wird Kolumbus zu einer zweiten Reise über den Atlantik aufbrechen. 17 Schiffe und 1500 Mann – Seeleute, Soldaten, Siedler, Missionare – lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass aus dem kühnen Navigator, dem »Vizekönig« und »Admiral des Weltmeeres« – Titel, die er sich von der spanischen Krone garantieren ließ – inzwischen ein Eroberer geworden ist. Die Logik der Okkupation und die Gier nach Gold sind längst über die Rücksichten und Absichten des Entdeckers hinweggegangen. Seine Nachfolger werden furchtbare Verbrechen an den Menschen der Neuen Welt begehen. Sie werden ganze Volksstämme ausrotten, Krankheit und Elend über Hunderttausende bringen, den Einwohnern ihre Kultur rauben und ihnen mit Gewalt die christlichen Glaubensdogmen aufzwingen. Goldgier und Aberglauben werden zu Versklavung, Arbeitszwang, Ausbeutung, zu Folter und Mord, ausgeklügelten Strafen und sadistischen Hinrichtungen führen: Verbrennen, Ertränken, Pfählen, Vierteilen, Einmauern, Eingraben, Verstümmeln, Hängen – und das alles im Namen von

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