Unterwegs in der Weltgeschichte
östlichen »Welthälfte« trennt, die die portugiesische Einflusssphäre umfasst.
Die Portugiesen waren es gewesen, die das maritime Wettrüsten eingeleitet und im Laufe des 15. Jahrhunderts allmählich einen deutlichen Vorsprung vor den Spaniern erzielt hatten, bevor diese später durch Kolumbus gewissermaÃen gleichzogen. Die Eroberung Ceutas an der Nordspitze Afrikas durch Portugal im Jahr 1415 war das erste Ausgreifen auf einen Kontinent auÃerhalb Europas und eine Stützpunktbildung in einem fremden Kulturkreis gewesen. Nach einer Periode des langsamen Vordringens portugiesischer Seefahrer an der afrikanischen Westküste umrundete schlieÃlich Bartolomeu Diaz 1488 die Südspitze des Kontinents, die der portugiesische König Johann II. nach Diazâ Rückkehr als »Kap der guten Hoffnung« betitelte. Um welche Hoffnung es sich dabei handelte, unterlag keinem Zweifel: Sie galt dem Seeweg nach Indien auf der Ostroute um Afrika herum.
All diese Aktivitäten, die schlieÃlich zur Jahrtausendmitte zu einem spanisch-portugiesischen Kopf-an-Kopf-Rennen auf den Weltmeeren eskalierten, wären nicht denkbar gewesen ohne die Konstruktion eines neuen Schiffstyps: der Karavelle. Durch ihre Bauweise und Besegelung erlaubte sie das Kreuzen hart am Wind und gab damit der europäischen Hochseeschifffahrt einen entscheidenden Schub. Der groÃe Inspirator, »Architekt« und Organisator der portugiesischen Seefahrt, Prinz Heinrich der Seefahrer (1394 â1460), hatte diese Entwicklung vorangetrieben und gilt deshalb bis heute als Vater des Zeitalters der Entdeckungen.
Es kulminiert â zumindest aus portugiesischer Sicht â in der erneuten Umrundung Südafrikas und der nachfolgenden ErschlieÃung des Ostweges nach Indien durch Vasco da Gama 1498. Ihm wird in Lissabon ein triumphaler Empfang bereitet. Er darf sich »Admiral des Indischen Meeres« nennen und sichert seinem Land mit einer zweiten Reise ein Jahrhundert lang die Seeherrschaft und das Monopol auf den Gewürzhandel in dieser Weltgegend.
Gewürze â sie vor allem, die kleinsten und feinsten Handelsgüter, wertvoll wie Edelmetalle, sind es, die die Westeuropäer nach Ostasien locken. Nicht nur mit Teak- und Sandelholz, sondern auch mit Pfeffer, Zimt und Ingwer hatte Vasco da Gama seine Schiffe bei der Rückkehr von der ersten Reise beladen. Schon Phönizier, Griechen, Römer, Perser und Araber haben mit Gewürzen gehandelt. Pfeffer war so kostbar, dass er oft mit Gold aufgewogen wurde. Als nun endlich auch Europa nicht nur weiÃ, wo der Pfeffer wächst, sondern auch, wie und wo man sich ihn holen kann, blüht das Geschäft â so sehr, dass es Kriege um den Gewürztransport und das Know-how der Portugiesen geben wird. Gewürze, das bedeutet, dass das Essen besser schmeckt und sich vor allem länger konservieren lässt, dass man es als Medizin gebrauchen und dass man damit reich werden kann. Portugal macht es vor â mit Ingwer, Vanille, Zimt, Muskatnuss, Nelken, Safran, Anis, Pistazien. Und Pfeffer natürlich.
Auch in der spanischen Einflusssphäre brummt das Ãberseegeschäft. Die Transportrouten sind für damalige Verhältnisse dicht befahren. Der Atlantik ist zum Mittelmeer geworden. Kartoffeln, Kaffee, Kakao und Kautschuk, Zucker, Tabak, Tomaten, Erdnüsse, Mais, Baumwolle und auch der Truthahn kommen aus den amerikanischen Ländern. Rind, Pferd, Esel, Schaf, Huhn und Haushund, Weinstöcke, Ãlbäume, Apfel und Orange, Weizen und andere Getreide führen die Eroberer als Importgüter aus Europa ein.
Das sieht nach einem Geschäft auf Gegenseitigkeit, einem Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen aus. Aber ausschlieÃlich die Kolonialisten diktieren die Regeln, und allein die Unterdrückten zahlen den Preis. Und das schmutzigste Geschäft läuft gerade erst an: der sogenannte Dreieckshandel, bei dem die Europäer bis ins 19. Jahrhundert hinein zehn Millionen Farbige als Sklaven aus Afrika nach Amerika verschleppen.
Der Umbau der Welt um 1500 ist in der Geschichte ohne Beispiel. Nicht einmal die germanische Völkerwanderung in der Spätantike reicht an ihn heran. Allenfalls lässt sich der Seevölkersturm, der um 1200 v. Chr. einen verheerenden Dominoeffekt im gesamten Mittelmeerraum auslöst, mit seinen epochalen Folgen vergleichen.
25. Zum Teufel mit der Tinte
E s gibt ihn nicht, und es hat ihn nie
Weitere Kostenlose Bücher