Unterwegs: Politische Erinnerungen (German Edition)
Akkreditierung eines Korrespondenten sei eine Sache der Gegenseitigkeit, und ob man einen sowjetischen Korrespondentenposten in Bonn haben wolle, sei auf der deutschen und vermutlich auch der sowjetischen Seite ungeklärt. Daraufhin wandte ich mich an einen älteren Kollegen, der in den dreißiger Jahren in Moskau gewesen war und jetzt mit einem befristeten Visum nach Moskau fahren durfte. Klaus Mehnert versprach mir, den russischen Kollegen zu kontaktieren, mit dem ich während des Adenauer-Besuchs über unseren gemeinsamen Wunsch gesprochen hatte, Korrespondent im Land des jeweils anderen zu werden. Nach einigen Wochen kehrte er mit der Nachricht zurück, dass möglicherweise die Gewerkschaftszeitung Trud , ein Blatt mit Millionenauflage, den russischen Journalisten nach Bonn schicken könne. Also ging ich wieder zum Chef des Bundespresseamts und berichtete ihm, in Moskau bereite man die Akkreditierung eines ständigen Korrespondenten in Bonn vor. Vielleicht klang meine Darstellung ein wenig definitiver als die Information, die ich aus Moskau bekommen hatte. Wie auch immer, einige Wochen später rief mich der Bundespressechef an: Es sei von sowjetischer Seite tatsächlich eine Aufenthaltsgenehmigung für einen Korrespondenten in Bonn beantragt worden. Jetzt könne ich an meiner Akkreditierung in Moskau weiterarbeiten.
Es sah also gut aus. Nun musste ich nur noch die ARD , die Gemeinschaft der westdeutschen Sender, davon überzeugen, dass der deutsche Rundfunk einen Korrespondenten in Moskau brauchte. Bei einigen Intendanten war das nicht schwer, andere dagegen fanden jeden Kontakt mit der kommunistischen Weltmacht überflüssig und gefährlich. Es sei widersinnig, meinten diese Kritiker, dass sich die ARD mit einem Mann in Moskau die sowjetische Propaganda auf eigene Kosten ins Programm hole. Der Kölner Intendant zog einen Schlussstrich unter diese Debatte: Er entschied, mich als WDR -Korrespondenten nach Moskau fahren zu lassen und meine Berichte allen ARD -Sendern anzubieten, die sie übernehmen wollten. Plötzlich ging alles ganz schnell: Ich holte mein sowjetisches Dauervisum bei der Botschaft in Bonn ab, und mein russischer Kollege erhielt seines von der deutschen Botschaft in Moskau. Und so war ich bereits ein paar Wochen später zum zweiten Mal auf dem Weg in die sowjetische Hauptstadt.
Wenn es aufklart
Moskau 1956–1958
Eine direkte Flugverbindung zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion bestand 1956 nicht. Aber das sei kein Problem, hatte mir ein Konsularmitarbeiter der sowjetischen Botschaft in Bonn gesagt. Ich könne ganz einfach von Ost-Berlin nach Moskau fliegen. Tatsächlich war es nicht schwierig, einen Platz in der Maschine der »Deutschen Lufthansa der DDR «, der späteren Interflug, zu buchen. Es gab da jedoch einige Umstände, die sich aus der besonderen Situation der geteilten Viermächtestadt Berlin und den komplizierten Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten ergaben. Zusammen mit mehreren Geschäftsleuten stieg ich in West-Berlin in einen Bus zum Flughafen Schönefeld. Wir fuhren zunächst durch den Ostteil der Stadt, aber kurz vor dem Ziel warnte uns ein uniformierter Volkspolizist, der neben dem Fahrer gesessen hatte, der Bus erreiche nun das Territorium der DDR , unter keinen Umständen dürfe einer der Insassen das Fahrzeug verlassen. Der Volkspolizist setzte sich demonstrativ neben die Tür, bis der Bus am Flughafen Schönefeld in einen kleinen, von einer hohen Mauer umgebenen Hof einbog. Hinter uns schloss sich das Einfahrtstor, vor uns lag das Gebäude mit der Pass- und Visakontrolle. Nun saßen wir abgetrennt von den Mitfliegenden aus der DDR in einem kleinen Raum und warteten geduldig und auch etwas eingeschüchtert auf den Abflug, der sich immer mehr verspätete. Lange nach der geplanten Startzeit erfuhren wir, dass die Maschine erst am nächsten Tag abheben würde. Für die Übernachtung würde man uns mit dem Bus in ein Hotel auf DDR -Territorium bringen, wo wir uns bis zum Morgen in unserem Zimmer aufhalten sollten. Mir und einem jüngeren Mitreisenden passte das nicht, und wir weigerten uns, den Flughafen zu verlassen. Nach einer Stunde kam der Bescheid: Wir könnten im Warteraum übernachten, allerdings werde die Tür abgeschlossen, und wenn wir auf die Toilette müssten, sollten wir kräftig klopfen. Am nächsten Morgen begleitete man uns schließlich ins Flugzeug und zu unseren Sitzen.
In Moskau verlief die Ankunft wesentlich zivilisierter.
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