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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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von Männern und Frauen an der Wand und tranken Spodiodi – Portwein mit Whisky – und spuckten auf die Sterne. Der Mann mit Tenorsaxophon und dem Hut auf dem Kopf steigerte sich in eine wunderbar schwebende Improvisation, ein anschwellendes und abfallendes Riff von einem «Ibidiiieh!» zu einem wahnsinnigen «Ibidibidibidaaah!» und stürmte weiter zu dem rollenden Rhythmus aus kippenversengten Trommeln, den ein großer, brutaler, stiernackiger Neger aus seinen ramponierten Bottichen herausholte: kresch, ratatiwumm, kresch. Ein kochender Sound, und der Tenormann, er hatte es , ja, und alle wussten, dass er es hatte. Dean presste sich in der Menge die Hände an die Schläfen, und alle um ihn herum tobten. Sie jubelten dem Saxophonisten zu, sie feuerten ihn mit Schreien und wild rollenden Augen an, bleib drauf, bleib drauf und halte es, und der Mann kam hoch und ging mit seinem Horn wieder in die Hocke, sprang auf, schickte einen glasklaren, lang gehaltenen Ton über die Köpfe der Menge. Eine ausgemergelte Schwarze von gut eins achtzig schaukelte ihre Knochen auf das Horn zu und der Mann stieß es einfach in ihre Richtung, «Eeeh! Eeeh! Eeeh!»
    Alles rockte und raste. Galatea und Marie, beide ein Bier in der Hand, standen auf den Stühlen, wiegten sich und tanzten. Schwarze Kerle strömten in Scharen von der Straße herein, rempelten in der Tür, um reinzukommen. «Bleib drauf, Mann!», brüllte ein Typ mit einer Stimme wie ein Nebelhorn, die man gewiss bis Sacramento hören konnte, aaah-oooh! «Whoo!», keuchte Dean. Er rieb sich die Rippen, den Bauch; Schweiß tropfte ihm vom Gesicht. Wumm, kick, der Schlagzeuger drosch seine Drums tief in den Keller und rollte den beat nach oben, mit seinen mörderischen Sticks, Rattati-wumm! Ein großer fetter Mann sprang aufs Podium, knarrend sackten die Bretter halb durch. «Uuuh!» Der Klavierspieler hämmerte nur mit gespreizten Fingern auf die Tasten, Akkorde in den Intervallen, wenn der große Tenormann Luft holen musste für den nächsten Stoß, Akkorde, die wie chinesische Gongs tönten, jede Faser im Holz des Klaviers, jede Stahlsaite vibrierte mit. Der Saxophonist sprang vom Podium herunter und stand in der Menge, schwenkte sein Instrument im Kreis; der Hut war ihm ins Gesicht gerutscht; jemand schob ihn nach hinten. Er warf sich zurück und stampfte mit dem Fuß den Takt und blies einen heiseren, gurgelnden Ton und holte Luft und riss das Horn hoch und schickte einen klirrend klaren Ton zum Himmel hinauf. Dean stand jetzt direkt vor ihm, beugte sich über den Trichter des Horns, schlug die Hände zusammen, warf den Kopf hin und her, sodass der Schweiß auf die Klappen des Instruments spritzte, und der Mann merkte es und lachte ein wimmerndes irres Lachen durch sein Saxophon, und alles lachte und rockte und raste; und endlich beschloss der Saxophonist, das Letzte zu geben, ging in die Hocke und presste ein langes, anhaltendes hohes C heraus, während alle kreischten und immer lauter schrien und ich schon glaubte, die Polizei vom nächsten Revier würde jeden Moment reingestürzt kommen. Dean war in Trance. Der Saxophonist hielt die Augen auf ihn gerichtet; hier hatte er einen Verrückten vor sich, der nicht nur verstand, sondern mitging mit der Musik und mehr verstehen wollte – noch mehr, als da war, und es begann ein Spiel zwischen beiden, ein Duell: Alles kam jetzt aus dem Horn, keine Phrasen und Läufe mehr, nur Schreie, Schreie, «Baaah!» und dann «Biiip!» und weiter zu einem «Iiih!» und hinunter zu dumpfem Gurgeln und hinüber zu dröhnenden Hornklängen. Er probierte alles, rauf, runter, seitwärts, kopfüber, waagerecht, in einem Winkel von dreißig, vierzig Grad, und schließlich ließ er sich nach hinten kippen, wurde aufgefangen und gab endlich auf, während die Leute sich herumschubsten und brüllten: «Ja! Ja! Er hat’s ihnen gezeigt!» Dean wischte sich mit dem Taschentuch die Stirn.
    Dann stieg der Saxophonist wieder aufs Podium, schlug einen langsamen Takt an und blickte traurig über die Köpfe der Menge zur offenen Tür und fing an zu singen: «Close Your Eyes.» Es wurde einen Moment still. Er trug eine abgewetzte Wildlederjacke, ein lila Hemd, rissige Lederschuhe und eine ungebügelte Zoot-Hose; es machte ihm nichts aus. Er sah aus wie ein schwarzer Hassel. Seine großen braunen Augen blickten sanft und voll Traurigkeit, und er sang langsam, mit langen, nachdenklichen Pausen. Beim zweiten Chorus aber kam er in Fahrt und griff sich das

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