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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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vertrieb, auf ungesattelten Ponys zu reiten und mit einem Knüppel Kojoten zu jagen. Später war er Landschullehrer im östlichen Zipfel von Oklahoma und schließlich ein vielseitiger Geschäftsmann in Denver. Er hatte noch immer sein altes Büro über einer Garage weiter unten an der Straße – das Rollpult war noch da, dazu Unmengen verstaubter Papiere aus aufregenden Zeiten des Geldverdienens. Er hatte eine patente Klimaanlage erfunden. Er baute einen gewöhnlichen Ventilator in einen Fensterrahmen ein und leitete irgendwie kaltes Wasser durch Rohrspiralen vor dem surrenden Propeller. Der Erfolg war durchschlagend – einen Meter von dem Ventilator entfernt –, doch dann verwandelte sich das Wasser offenbar in Dampf, und im Parterre des Hauses war es genauso heiß wie immer. Aber ich lag direkt unter dem Ventilator auf Chads Bett, wo eine große Goethe-Büste auf mich starrte, und konnte gut einschlafen, nur dass ich zwanzig Minuten später halbtot vor Kälte aufwachte. Ich zog mir eine Decke über und fror noch immer. Schließlich war es so kalt, dass ich nicht mehr schlafen konnte, und ich ging nach unten. Der Alte fragte mich, wie seine Erfindung funktioniere. Sie funktioniert verdammt gut, sagte ich und meinte: in gewissen Grenzen. Ich mochte den Mann. Er steckte voller Erinnerungen. «Einmal hab ich einen Fleckenentferner herausgebracht, der von großen Firmen im Osten kopiert worden ist. Seit Jahren versuche ich, Geld dafür zu bekommen. Könnte ich mir nur einen anständigen Anwalt leisten …» Aber es war zu spät, einen guten Anwalt zu nehmen, und so saß er bedrückt in seinem Haus. Abends gab es ein wunderbares Essen, das Chads Mutter gekocht hatte, Steaks von dem Wild, das sein Onkel in den Bergen geschossen hatte. Aber wo war Dean?

sieben
    Die nächsten zehn Tage waren, wie W. C. Fields einmal sagte, «voll der drohenden Gefahr» – und ziemlich verrückt. Ich zog zu Roland Major in die wahrhaft edle Wohnung, die Tim Grays Verwandten gehörte. Wir hatten jeder ein eigenes Zimmer, es gab eine Kochnische mit Essen im Kühlschrank und ein riesiges Wohnzimmer, wo Major in seinem seidenen Morgenrock saß und gerade seine neueste Kurzgeschichte im Stil Hemingways verfasste – ein rotgesichtiger kleiner dicker Choleriker mit einem Hass auf alles und jeden, der indessen das herzlichste und charmanteste Lächeln der Welt aufsetzen konnte, wenn das wahre Leben ihm süß in der Nacht begegnete. Er saß also am Schreibtisch, und ich sprang in meinen Chinos auf dem dicken weißen Teppich herum. Er hatte gerade eine Story über einen Typen fertig, der zum ersten Mal nach Denver kommt. Er heißt Phil. Sein Reisegefährte ist ein geheimnisvoller stiller Bursche namens Sam. Phil geht los, um Denver zu erkunden, und trifft mit schicken Künstlertypen zusammen. Er kehrt in sein Hotelzimmer zurück. Mit kummervoller Stimme sagt er: «Sam, hier sind sie auch.» Und Sam schaut nur traurig aus dem Fenster. «Ja», sagt Sam, «ich weiß.» Und die Pointe war, dass Sam gar nicht hingehen und sich überzeugen musste, um dies zu wissen. Die Schickimickis waren überall in Amerika und saugten dem Land das Blut aus. Major und ich waren dicke Freunde; er fand, ich sei alles andere als ein Schickimicki. Major liebte gute Weine, genau wie Hemingway. Er schwelgte in Erinnerung an seinen kürzlichen Trip nach Frankreich. «Ah, Sal, könntest du doch mit mir da oben im Baskenland sitzen, mit einer kühlen Flasche Poignon Dix-neuf, dann wüsstest du, dass es noch andere Dinge gibt als Güterwagen.»
    «Ich weiß. Nur, dass mir Güterwagen ebenso sehr gefallen und ich so gern die Namen an ihnen lese, wie Missouri Pacific , Great Northern , Rock Island Line . Lieber Gott, Major, könnte ich dir nur erzählen, was mir beim Trampen hierher alles passiert ist.»
    Die Rawlins wohnten ein paar Straßen weiter. Das war eine wunderbare Familie – eine noch jugendliche Mutter von fünf Söhnen und zwei Töchtern, Mitbesitzerin eines verfallenden Geisterstadthotels. Das schwarze Schaf der Familie war Ray Rawlins, Tim Grays Kumpel aus Kindertagen. Ray kam hereingestürmt, um mich abzuholen, und wir verstanden uns auf Anhieb. Zusammen machten wir eine Sauftour durch die Bars an der Colfax Avenue. Eine von Rays Schwestern war eine blonde Schönheit namens Babe – eine tennisspielende, wellenreitende Fee des weiten Westens. Sie war Tim Grays Freundin. Und Major, der nur auf der Durchreise in Denver war, und zwar mit allem Komfort in der

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