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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Für dieses Männchen existierte die grenzenlose Weite Arizonas nicht, es gab nur die buschige Wildnis im östlichen Pennsylvania, in Maryland und Virginia, die Nebenstraßen, die alten Teerstraßen, die sich an traurigen Flüssen wie dem Susquehanna, dem Monongahela, dem alten Potomac und dem Monocay dahinschlängeln.
    In dieser Nacht musste ich in Harrisburg im Bahnhof auf einer Bank schlafen; bei Morgengrauen warf der Bahnhofsvorsteher mich raus. Ist es nicht so, dass man sein Leben als liebes Kind unter dem Dach seines Vaters beginnt und noch alles glaubt? Dann aber kommt der Tag der halbherzigen Laodizäer, die der Herr ausspeit, und du erkennst, dass du der Elende und Bejammernswerte und arm und nackt und blind bist, und mit der Fratze eines vergrämten Schreckgespenstes schleppst du dich schaudernd durch ein albtraumhaftes Leben. Verstört stolperte ich aus dem Bahnhof; ich hatte mich nicht mehr in der Gewalt. Ich sah den frühen Tag nur noch als Weiß, ein Weiß wie die Weiße des Grabes. Ich war am Verhungern. Das Einzige, was ich noch an Kalorien besaß, waren die letzten Hustenbonbons, die ich vor Monaten in Shelton, Nebraska, gekauft hatte. Ich lutschte sie, des Zuckers wegen. Das Betteln hatte ich nicht gelernt. Ich stolperte aus der Stadt hinaus und hatte kaum noch die Kraft, mich bis zur Stadtgrenze zu schleppen. Ich wusste, man würde mich verhaften, wenn ich noch eine weitere Nacht in Harrisburg blieb. Verfluchte Stadt! Mitgenommen wurde ich schließlich von einem dürren, hageren Mann, der an kontrolliertes Hungern aus Gesundheitsgründen glaubte. Als ich ihm, während wir nach Osten rollten, erzählte, dass ich am Verhungern sei, sagte er: «Fein, fein, Sie können sich nichts Besseres antun, mein Junge. Ich habe selbst seit drei Tagen nichts gegessen. Ich werde bestimmt hundertfünfzig Jahre alt.» Er war ein Sack voll Knochen, eine schlaffe Puppe, eine geknickte Latte, ein Irrer. Hätte mich doch ein dicker reicher Mann mitgenommen und gesagt: «So, jetzt halten wir mal bei dem Restaurant da vorn und bestellen uns ein paar Schweineschnitzel mit grünen Bohnen.» Nein, ich musste an diesem Morgen mit einem Irren fahren, der an kontrolliertes Hungern aus Gesundheitsgründen glaubte. Nach hundertsechzig Kilometern hatte er ein Einsehen und fischte Butterbrote vom Rücksitz des Wagens. Sie lagen unter seinen Vertretermustern versteckt. Er verkaufte Installationszubehör in ganz Pennsylvania. Ich verschlang die Brote. Plötzlich musste ich laut lachen. Ich saß allein im Wagen und wartete auf ihn, während er in Allentown ein paar geschäftliche Anrufe machte, und ich lachte und lachte. Gott, wie ich das Leben satt hatte! Immerhin fuhr mich der Irre nach Hause, nach New York.
    Plötzlich fand ich mich auf dem Times Square wieder. Ich war fast dreizehntausend Kilometer auf dem amerikanischen Kontinent herumgefahren, und jetzt war ich wieder auf dem Times Square, und sogar mitten in der Rushhour, um mit meinen unschuldigen Tramper-Augen den völligen Wahnsinn und das phantastische Chaos von New York zu sehen, mit seinen Millionen und Abermillionen Menschen, die auf der ewigen Jagd nach dem Dollar hin und her hetzen, der irre Traum – Raffen, Nehmen, Geben, Stöhnen, Sterben, nur um sich eines Tages in diesen schaurigen Friedhofsstädten hinter Long Island City begraben zu lassen. Die hohen Türme des Landes – das andere Ende des Landes, wo Zeitungs-Amerika geboren wurde. Ich stand im Eingang einer U-Bahn-Station und versuchte meinen Mut zusammenzunehmen, um eine herrlich lange Kippe aufzulesen, und jedes Mal, wenn ich mich bückte, rannten Scharen von Menschen vorbei und verdeckten sie vor meinem Blick, und schließlich war sie zertreten. Ich hatte kein Geld, um mit dem Bus nach Hause zu fahren. Paterson ist einige Kilometer vom Times Square entfernt. Kannst du dir vorstellen, wie ich diese letzten Kilometer zu Fuß gehe, durch den Lincoln Tunnel oder über die Washington Bridge und nach New Jersey hinüber? Es wurde dunkel. Wo war Hassel? Wenn ich mich gleich auf dem Times Square umtat, dann wegen Hassel. Er war nicht da, er saß auf Riker’s Island hinter Gittern. Wo war Dean? Wo waren all die anderen? Wo war das Leben? Ich hatte mein Zuhause, wohin ich gehen konnte, ich hatte einen Platz, wo ich mein Haupt betten und die Verluste zählen konnte, auch die Gewinne, die es, das wusste ich, irgendwo geben musste. Ich musste mir fünfundzwanzig Cent für den Bus zusammenbetteln. Schließlich haute

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