Unterwegs
ich einen griechischen Priester an, der an der Straßenecke stand. Er gab mir den Vierteldollar und schaute nervös beiseite. Ich rannte sofort zum Bus.
Kaum zu Hause, aß ich den Eisschrank leer. Meine Tante stand auf und schaute mich an. «Armer kleiner Salvatore», sagte sie auf Italienisch. «Mager bist du geworden, mager. Wo warst du die ganze Zeit?» Ich hatte zwei Hemden und zwei Pullover an. In meinem Segeltuchsack waren vom Baumwollfeld zerfetzte Hosen und die zerschlissenen Reste meiner Huaraches. Meine Tante und ich beschlossen, von dem Geld, das ich ihr aus Kalifornien geschickt hatte, einen neuen elektrischen Kühlschrank zu kaufen; es würde der Erste in der Familie sein. Sie ging ins Bett, und spät in der Nacht konnte ich nicht einschlafen und rauchte eine Zigarette im Bett. Auf dem Schreibtisch lag mein halbfertiges Manuskript. Es war Oktober, ich war zu Hause, die Arbeit fing wieder an. Die ersten kalten Winde rüttelten an der Fensterscheibe – ich hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft. Dean war zu uns gekommen, hatte ein paar Nächte dort geschlafen, auf mich gewartet; er hatte Nachmittage lang mit meiner Tante geredet, während sie an einem großen Flickenteppich arbeitete, in den alle Kleider meiner Familie aus vielen Jahren eingearbeitet waren und der jetzt fertig war und ausgebreitet in meinem Zimmer lag, kunterbunt wie der Lauf der Zeiten. Und dann war Dean fortgegangen, zwei Tage vor meiner Ankunft, und hatte wahrscheinlich meinen Weg in Pennsylvania oder Ohio gekreuzt, auf dem Wege nach San Francisco. Dort hatte er sein eigenes Leben. Camille hatte gerade eine Wohnung gefunden. Ich war nie auf die Idee gekommen, sie zu besuchen, solange ich in Mill City war. Jetzt war es zu spät, und Dean hatte ich auch verpasst.
zweiter teil
eins
Es dauerte über ein Jahr, bis ich Dean wiedersah. Die ganze Zeit blieb ich zu Hause, schrieb mein Buch fertig und begann mit einem Kriegsveteranenstipendium zu studieren. Weihnachten 1948 fuhren meine Tante und ich, beladen mit Geschenken, zu meinem Bruder in Virginia. Ich hatte Dean geschrieben, und er antwortete, er werde wieder in den Osten kommen. Ich teilte ihm mit, falls er wirklich komme, werde er mich in Testament, Virginia, finden, zwischen Weihnachten und Neujahr. Und eines Tages, als alle unsere Verwandten im Süden in Testament im Wohnzimmer versammelt saßen, hagere Männer und Frauen mit der alten Heimaterde des Südens in den Augen, und leise, mit jammernden Stimmen über das Wetter und die Ernte redeten und müde die allgemeinen Neuigkeiten rekapitulierten, wer ein Baby bekommen, wer ein neues Haus gebaut hatte und so weiter, bremste ein schlammverspritzter Hudson Baujahr ’49 auf dem Schotterweg draußen vor dem Haus. Ich hatte keine Ahnung, wer es war. Ein müder junger Kerl, muskulös und abgerissen, in einem T-Shirt, unrasiert, die Augen gerötet, kam an die Tür und klingelte. Ich machte auf, und plötzlich merkte ich, es war Dean. Er war den ganzen weiten Weg von San Francisco rübergekommen, bis vor das Haus meines Bruders Rocco in Virginia, und zwar in unfasslich kurzer Zeit, weil ich doch eben erst den Brief geschrieben und darin mitgeteilt hatte, wo ich sei. Im Wagen sah ich zwei Gestalten schlafen. «Hol mich der Teufel! Dean! Wer ist das da im Auto?»
«Hal-lo, hal-lo, Mann, das ist Marylou. Und Ed Dunkel. Was wir jetzt sofort brauchen, ist ein Platz zum Waschen, wir sind hundemüde.»
«Aber wie seid ihr so schnell hergekommen?»
«Ah, Mann, dieser Hudson läuft!»
«Woher hast du ihn?»
«Von meinen Ersparnissen hab ich ihn gekauft. Ich hab gearbeitet, bei der Eisenbahn, und vierhundert Dollar im Monat verdient.»
Die nächste Stunde gab es ein völliges Durcheinander. Meine Verwandten im Süden hatten keinen Schimmer, was eigentlich los war, wer oder was Dean, Marylou und Ed Dunkel waren; sie machten nur dumme Gesichter. Mein Bruder Rocco und meine Tante verzogen sich in die Küche, um zu beratschlagen. Alles in allem waren da elf Personen in dem kleinen Haus im Süden. Und nicht nur das, sondern mein Bruder hatte sich soeben entschlossen, aus diesem Haus auszuziehen, und die Hälfte seiner Möbel war schon weg; er zog mit Frau und Kind mehr in die Nähe der Stadt Testament. Sie hatten sich neue Wohnzimmermöbel gekauft, und die alten sollten zu meiner Tante nach Paterson, auch wenn wir uns noch nicht darüber geeinigt hatten, wie. Als Dean davon hörte, bot er gleich seine Dienste mit dem Hudson an. Er und ich
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