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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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Moriarty, der Klempner und Vagabund, der auf Güterzügen durchs Land fuhr und als Tellerwäscher in Eisenbahnerkantinen arbeitete, durch nächtliche Hintergassen stolperte und im Suff zusammenbrach, auf Kohlenhaufen halb erlosch und seine gelb gewordenen Zähne einen nach dem andern in die Rinnsteine des Westens spuckte? Dean hatte jedes Recht, die süßen Tode vollkommener Liebe in den Armen seiner Marylou zu sterben. Ich wollte mich nicht dazwischendrängen, ich wollte ihm nur nachfolgen.
    Carlo kam im Morgengrauen zurück und zog seinen Bademantel an. Er konnte damals nicht mehr schlafen. «Eeeh!», kreischte er und tobte vor Wut über das Chaos von Marmeladenflecken auf dem Fußboden, herumliegenden Hosen und Kleidern, Zigarettenstummeln, schmutzigen Tellern und Tassen, aufgeklappten Büchern – ein tolles Forum war’s, das wir da hatten. Tag für Tag drehte die Welt sich ächzend im Kreis, und wir betrieben unsere schlimmen Studien der Nacht. Marylou war grün und blau von einem Fight mit Dean; er selber hatte Kratzer im Gesicht. Es war Zeit, aufzubrechen.
    Wir fuhren zu mir nach Hause, eine Truppe von zehn Leuten, um meinen Seesack zu holen und Old Bull Lee in New Orleans anzurufen, aus der Telefonzelle in der Bar, wo Dean und ich vor Jahren zum ersten Mal geredet hatten, als er vor meiner Tür stand, weil er schreiben lernen wollte. Wir hörten Bulls näselnde Südstaatenstimme aus knapp dreitausend Kilometern Entfernung: «Sag mal, was stellt ihr euch eigentlich vor, was soll ich denn mit dieser Galatea Dunkel machen? Sie ist jetzt schon zwei Wochen hier, versteckt sich in ihrem Zimmer und redet kein Wort mit Jane oder mir. Ist dieser Dunkel bei euch? Bringt den Kerl mit, um Gottes willen, und schafft mir die Frau vom Hals. Sie schläft in unserem besten Zimmer und hat natürlich absolut kein Geld mehr. Wir sind doch kein Hotel.» Dean juchzte und schrie ins Telefon, um Bull zu beruhigen – und außer Dean waren da noch Marylou, Carlo, Ed Dunkel, ich, Ian MacArthur und seine Frau, Tom Saybrook und Gott weiß wer sonst noch, und alle brüllten wir und tranken Bier neben dem Telefon und machten Bull verrückt, der nichts mehr verabscheute als Unklarheit. «Na», sagte er, «vielleicht könnt ihr euch klarer ausdrücken, wenn ihr herkommt, falls ihr herkommt.» Ich sagte meiner Tante goodby, versprach, in zwei Wochen zurück zu sein, und wieder einmal war ich unterwegs nach Kalifornien.

sechs
    Regnerisch war es und unheimlich am Anfang unserer Reise. Ich sah, dass es eine einzige große Nebelsaga werden würde. «Yippiiie!», schrie Dean. «Es geht los!» Er beugte sich übers Lenkrad und gab Gas; er war wieder in seinem Element, jeder konnte es sehen. Wir alle waren froh: Wir wussten, dass wir Chaos und Wahnsinn hinter uns ließen und unsere einzige noble Aufgabe in der Zeit erfüllten – wir waren in Bewegung. Und ob wir uns bewegten! Wir flogen an den geheimnisvollen weißen Schildern in der Nacht vorbei, irgendwo in New Jersey, die (mit einem Pfeil) nach SÜDEN und (mit einem Pfeil) nach WESTEN zeigten, und wir schlugen die südliche Richtung ein. New Orleans! Es loderte in unseren Köpfen. Aus dem schmuddeligen Schnee der «frostigen Schwulenstadt New York», wie Dean sagte, tief hinunter zu dem Grün und den Flussgerüchen des alten New Orleans am wasserumspülten Arsch Amerikas. Ed saß hinten; Marylou und Dean und ich saßen vorn und führten das lebhafteste Gespräch über das Gute am Leben, über Lebensfreude. Dean wurde plötzlich ganz weich. «Also seht mal ihr alle, verdammt, wir müssen doch zugeben, dass alles bestens eingerichtet ist, kein einziger Grund in der Welt, sich Sorgen zu machen, und eigentlich sollten wir erkennen, was es für einen jeden von uns bedeuten könnte, einmal zu BEGREIFEN, dass wir uns doch in Wirklichkeit KEINERLEI Sorgen machen. Hab ich nicht recht?» Wir stimmten alle zu. «Und jetzt geht’s los, wir sind alle zusammen … Was haben wir in New York gemacht? Es sei vergeben und vergessen.» Wir hatten alle unsere Streitigkeiten gehabt. «Dies liegt jetzt hinter uns, nach Kilometern und Kompassgraden. Jetzt geht es runter nach New Orleans. Wir werden Old Bull Lee wiedersehen und toll unseren Spaß haben, und hört nur mal diesen verdammten Tenor, wie er sich reinsteigert» – er drehte das Radio voll auf, dass der Wagen bebte –, «und hört euch an, wie er seine Story erzählt, das ist wahre Lockerung und Erleuchtung.»
    Wir rockten mit der Musik und waren uns

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