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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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einerlei, wie wir’s anstellen, es muss an dem sonderbaren biblischen Namen liegen, den sie hat, und an diesem sonderbaren biblischen Typ, der uns dazu gebracht hat, wieder hier anzuhalten. Und alles wiederum hängt zusammen mit dem Regen, der die Menschen auf der Welt wie eine Kette verbindet …» So plapperte Dean drauflos; er war außer sich vor Freude und Übermut. Er und ich sahen plötzlich das ganze Land vor uns liegen wie eine Auster, die wir nur öffnen mussten; und darin war die Perle, darin war die Perle. Weiter donnerten wir nach Süden. Wieder nahmen wir einen Tramper mit. Diesmal war es ein dumpfer junger Typ. Seine Tante, sagte er, hätte einen Lebensmittelladen in Dunn, North Carolina, gleich hinter Fayetteville. «Kannst du nicht, wenn wir dort sind, einen Dollar bei ihr losmachen? Klar! Genau! Fahren wir!» Nach einer Stunde, es dämmerte schon, waren wir in Dunn. Wir fuhren zu der Adresse, wo, wie der Junge sagte, die Tante ihren Lebensmittelladen hatte. Es war eine trostlose kleine Sackgasse, die vor einer Fabrikmauer endete. Es gab sogar einen Lebensmittelladen, aber keine Tante. Wir fragten uns schon, was der Typ da quatschte. Wir fragten ihn, wie weit er mitfahren wolle; er wusste es nicht. Alles ein einziger Schwindel; irgendwann einmal, bei irgendeiner halb vergessenen Hinterhofgeschichte, hatte er in Dunn einen Lebensmittelladen gesehen, und dies war das Erste, was ihm durch seinen armen, verwirrten Kopf schoss. Wir spendierten ihm einen Hotdog, aber Dean sagte, wir könnten ihn nicht weiter mitnehmen, wir brauchten Platz zum Schlafen und Platz für Tramper, die Geld für Benzin hätten. Das war traurig, aber wahr. Bei Anbruch der Nacht ließen wir ihn in Dunn zurück.
    Ich fuhr durch South Carolina und über Macon, Georgia, hinaus, während Dean, Marylou und Ed schliefen. Ganz allein in der Nacht, hing ich meinen Gedanken nach. Ich hielt den Wagen hart an der weißen Linie auf dieser heiligen Straße. Was machte ich hier? Wohin wollte ich? Bald würde ich es herausfinden. Hinter Macon wurde ich hundemüde und weckte Dean, damit er übernahm. Wir stiegen aus, um frische Luft zu schnappen, und plötzlich waren wir wie besoffen vor Freude, als wir merkten, dass in der Dunkelheit der Duft von grünen Wiesen hing und der Geruch von Dünger und brackigem Wasser. «Wir sind im Süden. Wir sind raus aus dem Winter!» Ein schwacher Morgenschimmer beleuchtete grüne Halme am Straßenrand. Ich holte tief Luft; eine Lokomotive heulte irgendwo in der Dunkelheit, Richtung Mobile. Unsere Richtung. Glückselig zog ich mein Hemd aus. Sechzehn Kilometer weiter an der Straße fuhr Dean mit abgestelltem Motor an einer Tankstelle vor, sah den Tankwart am Schreibtisch sitzen und schlafen, sprang raus, füllte in aller Ruhe den Tank, passte auf, dass die Glocke nicht schellte, und raste los wie ein Beduine in der Wüste, Sprit für fünf Dollar im Tank für unsere Pilgerfahrt.
    Ich schlief ein und erwachte vom irren Sound einer triumphierenden Musik, während Dean und Marylou redeten und draußen das weite grüne Land vorbeizog. «Wo sind wir?»
    «Wir sind gerade an der Spitze von Florida vorbei, Mann – Flomaton heißt es hier.» Florida! Wir rollten über die Küstenebene nach Mobile; vor uns über dem Golf von Mexiko türmten sich riesige Wolkenberge. Nur zweiunddreißig Stunden waren vergangen, seit wir allen goodby gesagt hatten, im schmuddeligen Schnee des Nordens. Wir hielten an einer Tankstelle. Dean und Marylou blödelten vor den Zapfsäulen herum, nahmen sich huckepack, und Ed Dunkel ging rein und klemmte mit flinker Hand drei Schachteln Zigaretten. Schon waren wir wieder weg. Während wir auf der langen Deichstraße nach Mobile hineinfuhren, zogen wir alle unsere Wintersachen aus und genossen die Wärme des Südens. Hier begann Dean seine Lebensgeschichte zu erzählen, und als er hinter Mobile an einer Straßenkreuzung in einen Stau vor- und zurückstoßender Autos geriet, schoss er, statt ihnen auszuweichen, kurzerhand durch die Einfahrt einer Tankstelle und brauste weiter, ohne sein auf der ganzen Fahrt eingehaltenes Dauertempo von hundertzehn Stundenkilometern abzubremsen. Wir ließen gaffende Gesichter und offene Münder hinter uns. Und Dean fuhr mit seiner Erzählung fort. «Ich sage euch, es ist wahr, ich habe schon mit neun Jahren mit Mädchen angefangen, mit einer, die Milly Mayfair hieß, hinter Rod’s Garage an der Grant Street – dieselbe Straße, wo Carlo in Denver wohnte. Damals

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