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Unterwegs

Unterwegs

Titel: Unterwegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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mit Doctor Pepper an und landet beim Whisky!» Seine Stimme übertönt alles. Er schneidet Grimassen, er windet sich, er macht alles. Er kam an unseren Tisch und verbeugte sich und sagte: «Ja!» Und dann taumelte er auf die Straße und in die nächste Kneipe. Und dann ist da Connie Jordan, ein verrückter Typ, er singt und schlenkert die Arme, bis Schweißtropfen durch die Gegend fliegen, bis er das Mikrophon umreißt und schrill kreischt wie eine Frau; spät in der Nacht erlebt man ihn, erschöpft, als Zuhörer bei wilden Sessions in Jamson’s Nook; die Augen weit aufgerissen, die Schultern schlaff starrt er bedröhnt ins Leere, vor sich auf dem Tisch ein Drink. Nie wieder hab ich so verrückte Musiker gesehen. Alle in Frisco jazzten. Hier war das Ende des Kontinents; sie pfiffen drauf. So lungerten Dean und ich in San Francisco rum, bis das nächste Geld von meiner Veteranenrente kam und ich nach Hause fahren konnte.
    Was hatte ich erreicht mit meiner Fahrt nach Frisco? Ich weiß es nicht. Camille wollte, dass ich abhaute; Dean war es egal, ob so oder anders. Ich kaufte mir einen Laib Brot und Aufschnitt und machte mir zehn Sandwiches, mit denen ich das Land wieder durchqueren wollte, doch noch bevor ich Dakota erreichte, waren sie alle vergammelt. Am letzten Abend drehte Dean noch einmal durch, er fand Marylou irgendwo in der Stadt, und wir stiegen ins Auto und fuhren hinüber nach Richmond jenseits der Bay und stürmten die Jazzkneipen der Schwarzen bei den Ölfeldern. Marylou wollte sich hinsetzen, und ein farbiger Typ zog ihr den Stuhl unterm Hintern weg. Mädchen machten sie auf der Toilette an. Auch ich bekam Angebote. Dean schwitzte herum. Es war das Ende; ich wollte nichts wie weg.
    Im Morgengrauen stieg ich in meinen Bus nach New York und sagte goodby zu den beiden. Dean und Marylou wollten ein paar von meinen Sandwiches haben. Ich sagte nein. Es war ein düsterer Augenblick. Wir dachten, wir würden uns nie wiedersehen, und es war uns egal.

dritter teil

eins
    Im Frühling 1949 hatte ich ein paar Dollar von meinem Veteranen-Stipendium gespart und fuhr nach Denver, mit dem Gedanken, mich dort niederzulassen. Ich sah mich schon als würdigen Patriarchen im Mittleren Westen. Ich war einsam. Niemand war da – keine Babe Rawlins, kein Ray Rawlins, Tim Gray, Betty Gray, Roland Major, Dean Moriarty, Carlo Marx, Ed Dunkel, Roy Johnson, Tommy Snark – niemand. Ich schlenderte durch die Curtis Street und die Larimer Street, arbeitete ein Weilchen auf dem Fruchtgroßmarkt, wo sie mich 1947 schon beinahe angeheuert hätten – der härteste Job meines Lebens; irgendwann mussten die Japanerjungs und ich einen ganzen Güterwaggon dreißig Meter weit auf dem Gleis weiterschieben, und zwar von Hand, mit einer Art Wagenheber, der den Waggon mit jedem Hebeldruck einen Zentimeter vorwärts bewegte. Ich schleppte Kisten voll Wassermelonen über den vereisten Boden von Kühlwaggons in die knallende Sonne hinaus und nieste. In Gottes Namen und bei den Sternen am Himmel, wozu?
    In der Abenddämmerung ging ich spazieren. Ich fühlte mich wie ein Staubkorn auf der Oberfläche der trostlosen roten Erde. Ich ging am Windsor Hotel vorbei, wo Dean Moriarty in der Zeit der Depression während der dreißiger Jahre mit seinem Vater gelebt hatte, und wie einst hielt ich überall Ausschau nach der legendären Gestalt des traurigen Klempners meiner Vorstellung. Entweder du findest an Orten wie Montana jemanden, der aussieht wie dein Vater, oder du siehst dich nach dem Vater eines Freundes um – da, wo er nicht mehr ist.
    Im violetten Abendlicht spazierte ich mit schmerzenden Muskeln unter den Straßenlaternen der 27th Street und der Welton Street ins Schwarzenviertel von Denver und wünschte mir, ich wäre ein Schwarzer, denn ich spürte, dass auch das Beste, was die Welt der Weißen zu bieten hatte, mir nicht genug Ekstase bot, nicht genug Leben, Freude, Spaß, Dunkelheit, Musik, nicht genug Nacht. Ich blieb vor einer kleinen Hütte stehen, wo ein Mann scharfen roten Chili in Pappbechern verkaufte; ich kaufte etwas und aß davon und schlenderte weiter durch dunkle, geheimnisvolle Straßen. Ich wünschte, ich wäre ein Mexikaner in Denver oder sogar ein armer abgerackerter Jap – alles andere, nur nicht das, was ich trostloserweise war, ein desillusionierter «Weißer». Mein Leben lang hatte ich weiße Ambitionen gehabt; das war der Grund, warum ich eine gute Frau wie Terry im San Joaquin Valley verlassen hatte. Ich ging an den

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