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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Schiffsladung Giftmüll entgegennimmt, läßt es sich eine Gebühr bezahlen, die viermal so hoch ist wie sein Bruttosozialprodukt. Was passiert dann? Das wollen wir nicht wissen.«
    »Na schön. Aber was macht diese besondere Ladung so inakzeptabel? Und warum wissen wir nicht genau, woraus sie besteht?«
    »Vielleicht versuchen wir uns gewisse Peinlichkeiten zu ersparen«, sagte Sims.
    Das Beben hatte beim Cocktail eingesetzt, ich stand gerade in der Empfangssuite mit mehreren Kollegen, die hinter ihren Drinks hervorlugten, als die Welt langsam wegsackte. Der Raum pfiff und ächzte. Ich strengte mich an, um meine Gesichtszüge zu beherrschen, und wartete ab, daß sich die Lage klärte. Eine leichte Erschütterung war das nicht. Zwischen fünf und sechs, wie wir später erfuhren, ein Fünfkommavier-Beben, und ich fühlte mich in meinem Gefühl der Alarmbereitschaft bestätigt, als ich beim Mittagessen den Riß in der Wand des Restaurants entdeckte.
    »Was glaubst du, eine Ladung Drogen? Als Giftmüll getarnt? Ich hab nämlich auch was munkeln gehört.«
    »Erzähl doch mal«, sagte Sims.
    Er saß mir am Tisch gegenüber, Fleischgesicht und ausladender Körper, die vorgestreckte Unterlippe, die komischen kleinen läppchenlosen Ohren, rund und vollkommen geformt, die winzigen, manierlichen Ohren eines Koboldkindes.
    »Auf deine Version bin ich aber neugierig«, sagte er, eine Spur liebenswürdiger Herablassung in der Stimme.
    »Erstens, eine Ladung Heroin, was keinen Sinn ergibt. Zweitens, Asche von Verbrennungsöfen aus dem Gebiet New York. Hauptsächlich industriell. Zehntausend Tonnen. Arsen, Kupfer, Blei, Quecksilber.«
    »Dioxine«, sagte Sims freundlich und biß mitten in sein am Mesquitefeuer gegrilltes Fleisch.
    Vier Paare setzten sich an den runden Tisch in der Nähe, und Sims und ich machten eine Pause. Wir wollten uns ein bißchen über sie amüsieren, von oben herab. Das waren natürlich Swinger, auftrumpfend gekleidet, wie unter ständiger Selbstbeobachtung, und sie lehnten sich reihum zurück, wenn der Junge mit dem Wasser kam und einschenkte.
    »Die haben Zeit zum Mittagessen eingeplant. Das finde ich in Ordnung«, sagte Sims.
    »Ich hab da was von dem Schiff gehört.«
    »Das Schiff wechselt dauernd seinen Namen. Hast du das gehört?«
    »Nein.«
    »Das Schiff ist am Hudson River mit einem Namen ausgelaufen, ich weiß nicht mehr, wie der war, aber drei Monate später, an der westafrikanischen Küste, wurde er geändert. Dann wurde er wieder geändert. Irgendwo auf den Philippinen.«
    »Riesenmengen Heroin, hab ich gehört. Aber warum sollte Heroin von den USA in den Fernen Osten verschifft werden? Ergibt überhaupt keinen Sinn.«
    »Keinen Sinn«, sagte Sims. »Außer daß es zu einem anderen Gerücht paßt. Kennst du das Gerücht?«
    »Glaub nicht.«
    »Im Besitz der Familie.«
    Das sagte er genüßlich, er betonte jeden Laut und machte ein bißchen Glubschaugen. »Was heißt das, im Besitz der Familie?«
    »Die Firma, der das Schiff gehört, das wir leasen. Die Familie hat viel mit Müllbeseitigung zu tun. Warum also nicht auch mit Müllmanagement, Mülltransport, Müllsonstwas?«
    »Es gibt da ein italienisches Wort«, sagte ich.
    »Vielleicht nicht nur die Reederei. Vielleicht ist es unsere Firma. Wir gehören der Familie. Sie sind stiller Teilhaber. Oder wir sind ganz offen in ihrem Besitz.«
    Das sagte er noch genüßlicher. Nicht daß er daran geglaubt hätte. Er glaubte keine Viertelsekunde daran, aber ich sollte es glauben oder mit dem Gedanken spielen, damit er sich über mich lustig machen konnte. Sein hartes Grinsen verspottete jedes naheliegende Gefühl, das andere eventuell im Zusammenhang mit ihrer persönlichen Verschwörungstheorie hegten.
    »Es gibt ein Wort auf italienisch. Dietrologia. Die Wissenschaft der Dinge, die hinter etwas stecken. Hinter einem verdächtigen Ereignis. Die Wissenschaft der Dinge, die hinter einem Ereignis stecken.«
    »Diese Wissenschaft brauchen die anderen. Ich nicht.«
    »Ich auch nicht. Ich sag ja nur.«
    »Ich bin Amerikaner. Ich geh zum Baseball«, sagte er.
    »Die Wissenschaft der dunklen Mächte. Offensichtlich haben sie das Gefühl, diese Wissenschaft ist legitim genug, daß sie einen Namen verdient.«
    »Den Leuten, die diese Wissenschaft brauchen, also, ich würde mir extra Mühe geben, ihnen zu erzählen, daß wir richtige Wissenschaften haben, hieb- und stichfeste Wissenschaften, wir brauchen keine imaginäre.«
    »Ich sag dir ja nur das Wort. Ich

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