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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Fünfer-Beben den Saal erschütterte, was für eine Mühe, all die Kräfte wieder zu befrieden, Druck und Gegendruck.
    Wir stampften am Golfplatz und den Gästehäuschen vorbei, eine kurzgeschorene Welt von Menschen in weichen Pastelltönen, handvollweise lebendig, in ordentlichen Vierern. Ich war erleichtert, daß ich den Lauf fast hinter mir hatte.
    »Frag mich mal nach dem Schiff«, sagte er.
    »Ist es in Liberia registriert?«
    »War es anfangs. Inzwischen in Panama, hab ich gehört.«
    »Wie geht das denn? Auf halber Strecke den Heimathafen wechseln?«
    »Ich weiß nicht. Da kenn ich mich nicht aus«, sagte Sims. »Aber die Gerüchte über das Schiff drehen sich nicht nur darum, was das Schiff geladen hat. Oder wem es gehört. Oder wo es hinfährt.«
    »Sondern? Worum noch?«
    »Ist es ein gewöhnliches Frachtschiff? Oder ist das nicht so ganz klar?«
    »Was für ein Schiff soll es denn sein, wenn es Fracht befördert, aber kein Frachtschiff ist?«
    »Erinner mich daran, daß ich dir bei Gelegenheit eine Lektion in Sachen Klärschlamm erteile.«
    Er lachte und lief los, im Zickzack mit ein paar Hüpfern, Ellbogen abgespreizt, und fingerschnippend schoß er an mir vorbei. Ich spürte Konkurrenzgefühle aufflammen, einen geistigen Zwang, der vor der Schande einer Niederlage warnt, und beeilte mich, ihn einzuholen.
    Und interessant, daß später die Sache mit dem Mülldurchwühlen, alten Alkis und Kids auf Trebe, die in einen Durchgang schlüpfen, um an zerbröseltes Brot und sehnige Rindfleischfetzen ranzukommen – das Thema kam später mit Detwiler wieder auf, aber anders, mit einem Hauch von Protesttheater wie aus den Sixties.
    Wir drei fuhren am frühen Abend zu der Landaufschüttung, eine halbe Autostunde nach Osten, teilweise über Straßen, die militärischer Nutzung vorbehalten waren. Sims hatte eine Erlaubnis, die zu bestimmten Zeiten den Zutritt gestattete, ein Arrangement zwischen den Müllcracks und irgendeiner Abteilung im Innersten des Pentagons, und das ersparte uns einen langen Umweg.
    Die Bauarbeiter hatten für heute schon Feierabend. Wir standen an einem Loch in der Erde, einem künstlichen Krater, einhundertfünfzig Meter tief und vielleicht anderthalb Kilometer breit, übersät von stumpfnasigen Maschinen auf den terrassierten Absätzen, der abschüssige Grund war zu weiten Teilen mit einer riesigen, schimmernden Folie überzogen, einer silbrigblauen Polyäthylen-Haut, die den Wolkenzug einfing und sich im Wind wellte. Ich war total überrascht. Der Anblick von diesem Ding, dieser riesenhaften, ausgehobenen Schüssel, mit kunstvollem Plastik ausgekleidet, war für mich das erste materielle Zeichen, daß diese Branche eine gewisse drastische Grandezza hatte, vielleicht sogar eine Art Größe – die rot-schwänzigen Falken, durchscheinend in der untergehenden Sonne, und die Frühlingstriebe der Yuccapalmen, so groß wie Wünschelruten, und diese hochdichte Membran in ihrer irgendwie seltsamen und gleichmäßigen Schönheit, eine prophylaktische Vorrichtung, ein System zur Gaskontrolle, und der Krater, den sie auskleidete, der Tausende Tonnen Müll pro Tag aufnehmen würde, deinen Müll und meinen, in der Wüste begraben. Ich hörte Sims beim Aufsagen der Zahlen zu, wieviel Methan wir gewinnen würden, um damit wie viele Häuser zu beleuchten, und ich verspürte einen merkwürdigen Stolz, eine Loyalität der Firma und der Sache gegenüber.
    Sims sprach zu uns beiden, aber vor allem zu Jesse Detwiler, denn der war der Visionär von uns, der Mülltheoretiker, der mit seinen Provokationen die Branche erschreckt hatte. Und Sims war redegewandt, ihm lag das Thema, er gestikulierte mit ausladenden Bewegungen, formte von Hand die Plastik- und Erdschichten nach, das Zerschreddern von Reifen, die Vermengung von Chemikalien mit Brennstaub. Ich hatte diese Dinge selbst noch nicht gesehen, aber es war leicht zu spüren, was sie Sims bedeuteten, Erdarbeit, überaus befriedigend in ihrer Mischung aus Technologie und alter, harter, nützlicher Plackerei, mit Staub im Mund und einer Mauer aus durchdringenden Gerüchen.
    Detwiler stand am Kraterrand und schaute hinein.
    »Was ist mit dem heißen Zeug?«
    »Das werden wir in Fässer füllen und trennen. Aber wir werden es nicht vergessen. Es wird auf Disketten verzeichnet. Wir können es finden, wenn's sein muß.«
    »Wie geht ihr an Bombenmüll heran?«
    »Bombenmüll. Dafür haben wir Nick geholt.«
    Ich sah das Funkeln in Simeons Augen und sagte, ohne eine

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