Unterwelt
Vater kommt durch die Küche und erscheint auf der Türschwelle, Manx Martin. Ein Arbeiter, ein Möbelpacker, wenn er Arbeit hat, und ein Whiskeyschlucker, wenn er keine hat. Er schaut Cotter an und nickt sinnlos. Er steht da und nickt, diese Geste hat keinen Sinn, scheint nur zu bedeuten, Ach ja, du bist es, falls sie überhaupt etwas bedeutet. Dann betritt er das Zimmer und setzt sich auf das unbenutzte Bett, das Feldbett. Sie horchen auf das Wasser, das gegen die Duschwände prasselt.
»Abend gegessen?«
»Falscher Hase.«
»Noch was für mich da?«
»Weiß ich nicht.«
»Weißt du nicht. Wieso, bist du früher vom Tisch aufgestanden? Verabredung in der Stadt oder was?«
Er merkt, der Mann macht Witze. Die Augen seines Vaters ziehen sich zusammen, und er setzt sein strichdünnes Lächeln auf. Er ist ein Mann mit hohen Wangenknochen, die grob geschmirgelt und in den Höhlungen darunter irgendwie narbig sind, ein Stück über der Oberlippe trägt er einen dünnen Schnurrbart, gepflegt und auffällig. Er schaut sich im Zimmer um. Er mustert die Dinge. Er scheint zu glauben, dies sei der richtige Moment, um sich anzuschauen, in was für einer Umgebung seine Söhne herangewachsen sind. Er ist durchschnittlich groß, ziemlich kräftig in der Brust und ziemlich O-beinig, und Cotter hätte ihm kaum genug Muskelkraft zugetraut, um schwere Teile die Treppen hoch- und runterzuschleppen. Aber er hat seinen Vater schon mit wesentlich größeren Männern heben und hieven sehen.
»Welche ist da drin?«
»Rosie.«
»Mordswäsche.«
»Genauso wie sie Hausaufgaben macht. Läßt nichts übrig.«
»Bringt zu Ende, was es anfängt, das Mädchen.«
Irgendwie stört es Cotter unterschwellig, daß er mit seinem Vater dasitzt und über Rosie redet, während sie sie in der Dusche hören. Genau da wird das Wasser abgedreht.
»Ich muß nämlich mal, verstehst du.«
»Der Hausmeister will mit dir reden.«
»Der ist ein Hofhund. Achte nicht drauf.«
»Woher kennt der uns, hat doch gerade erst angefangen.«
»Vielleicht sind wir berühmt, du und ich. Zwei Hombres, von denen alle rumerzählen, daß sie verdammt harte Brocken sind.«
Cotter wird ein bißchen lockerer. Er denkt, vielleicht läuft ja doch alles ganz gut. Dieser Mann hat getankt, wie es so schön heißt, und es gibt etwas, das er von seinem Vater kriegen kann, nicht von seiner Mutter.
Manx ruft laut: »Rosie-Baby. Dein Daddy müßte dringend mal aufs Örtchen.«
Sie hören ein unterdrücktes Wort oder zwei, dann geht sie barfuß in ein Handtuch gehüllt durch den Flur, und Manx steht auf, zieht sich an den Hosen, schnalzt mit der Zunge und verläßt das Zimmer.
Cotter denkt, ohne daß es ihm bewußt ist, ohne den Gedanken vorzubereiten – er sieht Bill Waterson auf der Eighth Avenue, die geknüllte Jacke in der Hand. Er nimmt den Baseball, schaut ihn an, legt ihn wieder hin. Sein Vater muß aber mal für zwei. Normalerweise hört man von da bloß die Dusche und Geräusche aus den Leitungen, aber sein Vater pinkelt den Wasserfall aller Zeiten. Sehr schnell wird das urkomisch, wie lange und kraftvoll es rauscht, und Cotter wünscht, seine Brüder wären da und sie könnten alle miteinander staunen.
Sein Vater kommt zurück und setzt sich hin. Er trägt immer noch seine Jacke, eine Windjacke aus Cord, die früher mal Randall gehört hat, apropos Brüder.
»So. Jetzt geht's uns besser.«
»Würdest du mir wohl einen Brief schreiben? Ich brauche ihn für die Schule«, sagt Cotter. »Ach ja? Und was steht drin?«
»Da steht drin, daß ich wegen Krankheit einen Tag versäumt habe.«
»Sehr geehrter Herr Sowieso.«
»Genau. Genau so.«
»Bitte entschuldigen Sie meinen Sohn.«
»Wortwörtlich.«
»Von wegen weil er krank war.«
»Sag dazu, daß ich Fieber hatte.«
»Wie fiebrig warst du denn?«
»Sagen wir, achtunddreißig, das sollte reichen.«
»Nun mal nicht so bescheiden. Wenn wir das schon machen.«
»Okay. Weil er neununddreißig Fieber hatte.«
»Wobei du mir freilich kerngesund aussiehst.«
»Auf dem Wege der Besserung, vielen Dank.«
»Und was ist das auf deinem Pullover?«
»Was weiß ich. Kletten.«
»Kletten. Wir sind hier in Harlem. Was für Kletten?«
»Was weiß ich. Bin wohl noch ziemlich unterwegs gewesen.«
»Und wo bist du unterwegs gewesen, daß du einen Tag Schule versäumt hast?«
»Ich war bei dem Spiel.«
»Dem Spiel.«
»In den Polo Grounds. Heute.«
»Du warst bei diesem Spiel?« fragt Manx. »Wegen dem es so einen
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