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Unterwelt

Unterwelt

Titel: Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Aufstand auf der Straße gegeben hat?«
    »Das ist gar nichts. Daß ich da war, ist noch gar nichts. Ich hab den Ball, den er geschlagen hat.«
    »Hast du nicht. Was für einen Ball?«
    »Von dem Home Run, der das Spiel entschieden hat«, sagt Cotter leise, ein wenig widerstrebend, denn es ist eine so erstaunliche Äußerung, und zum ersten Mal ist er voller Ehrfurcht, jetzt, da er das sagt.
    »Hast du nicht.«
    »Ich bin ihm nach und hab ihn mir geschnappt.«
    »Lügst ja wie gedruckt«, sagt Manx. »Nicht gelogen. Ich hab den Ball. Hier.«
    »Weißt du, was du bist?« fragt Manx. Cotter greift nach dem Ball.
    »Du bist ein kleiner Fisch, der ab und zu mal ein paar Wellen macht.«
    Cotter schaut ihn an. Er sitzt auf dem unteren Bett, den Rücken an die Wand gelehnt, und betrachtet den Mann auf dem gegenüberliegenden Bett. Dann nimmt er den Baseball, nimmt ihn von der Khakidecke, wo er neben seinem Oberschenkel eingesunken war. Er zeigt ihn vor, dreht ihn auf den Fingerspitzen. Er hält ihn mit der rechten Hand hoch und nimmt die linke, um ihn zu drehen. Ihm doch egal. Er führt ihn vor, gibt damit an. Er merkt, wie ihm Wut und Prahllust ins Gesicht steigen.
    »Sagst du mir auch die Wahrheit?«
    Cotter fummelt ein bißchen herum, schüttelt den Ball in seiner Hand, als wäre er zu magisch, um ihn ruhig zu halten – als kriegte er Schüttellähmung davon und die Augen würden ihm gleich aus dem Kopf fallen. Richtig böse und wild macht er das und starrt seinen Alten dabei in Grund und Boden.
    »Hey. Sagst du deinem Vater die Wahrheit?«
    »Warum sollte ich lügen?«
    »Okay. Warum auch? Du doch nicht.«
    »Gibt gar keinen Grund.«
    »In Ordnung. Keinen Grund. Leuchtet mir ein. Wem hast du's noch erzählt?«
    »Keinem.«
    »Deiner Mutter auch nicht?«
    »Die würde doch bloß sagen, bring ihn zurück.«
    Manx lacht. Legt die Hände auf die Knie und späht zu Cotter rüber, dann wirft er sich lachend zurück.
    »O ja, verflixt noch eins. Sie würde mit dir zum Stadion marschieren, damit du ihn zurückgibst.«
    Cotter will nicht zu weit gehen. Er weiß, es ist die übelste Falle auf der Welt, sich mit seinem Vater gegen seine Mutter zusammenzutun. Er muß in jeder Hinsicht vorsichtig sein, dies sagen und jenes tun, aber vor allem muß er darauf achten, zu seiner Mutter zu halten. Sonst ist er tot.
    »Na schön. Also, was tun wir? Vielleicht gehen wir morgen früh zum Stadion und zeigen ihnen den Ball. Wir nehmen deine abgerissene Eintrittskarte mit, dann können sie wenigstens sehen, daß du bei dem Spiel warst und im richtigen Abschnitt gesessen hast. Aber nach wem fragen wir? Zu welcher Tür gehen wir? Vielleicht tauchen siebzehn Typen da auf und sagen, das hier ist der Ball, nein, der hier ist es, ich hab ihn, ich hab ihn, ich hab ihn.« Cotter hört sich das an.
    »Wer achtet schon auf uns? Die sehen bloß zwei Farbige von Nirgendwo. Die glauben doch nie und nimmer, unter all den Zuschauern hätte sich wirklich irgendein farbiger Junge den Ball geschnappt.« Hier macht Manx eine Pause, vielleicht hofft er, eine Idee in seinem Kopf zu hören, die sich gerade entwickelt. »Ich glaube, wir sollten einen Brief schreiben. Genau. Wir schreiben dir einen Brief für die Schule, und dann schreiben wir zusammen einen Brief und schicken ihn an den Baseballclub.«
    Cotter hört zu. Er beobachtet, wie sein Vater in Gedanken versinkt, in eigenen Sorgen und Plänen.
    »Und was schreiben wir in diesem Brief?«
    »Wir schicken ihn per Einschreiben. Genau, mit der besonderen Note. Wir schicken ihn zusammen mit deiner Eintrittskarte.«
    »Und was schreiben wir?«
    »Wir bieten den Ball zum Verkauf an. Was denn sonst?«
    Cotter möchte aufstehen und aus dem Fenster schauen. Er fühlt sich eingeschlossen und wäre am liebsten allein, um nichts zu tun, als aus dem Fenster auf die Straße zu schauen.
    »Ich will ihn nicht verkaufen. Ich will ihn behalten.«
    Manx legt den Kopf schief, um den Jungen zu mustern. An diesen Gedanken muß er sich erst mal gewöhnen – den Ball im Haus zu behalten, damit er Staub ansetzen und Charakter entwickeln kann.
    Er sagt leise: »Behalten, wozu denn? Wir verkaufen ihn und kaufen dir einen Wollpullover und werfen dieses Einsiedlerhemd weg, das du da anhast. Sieht aus, als würdest auf den Bäumen leben. Wir kaufen etwas für deine Mutter und deine Schwester. Wär doch verrückt, das Ding hier rumliegen zu lassen, wo es nichts tut und nichts einbringt.« Seine Stimme ist einfühlsam und wohlüberlegt,

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