Unterwirf dich
ihren Vierundzwanzigstunden-Sexshows, ihren Sexspielzeug-Warenhäusern und ihren Gucklochtheatern, um Schuhe für mich zu kaufen. Hier ging es nicht um Bestellungen, sondern um spitze High Heels mit Fesselriemchen und Stiletto-Absätzen. Der dünne unrasierte Ladenbesitzer trug eine enge, rot-schwarz gestreifte Hose und ein Fabulous-Freak-Brothers-T-Shirt. Er duzte uns frech als verwandte sexuelle Outlaws und gestikulierte mit nikotingelben Fingern, während er uns einen Vortrag über liberté, égalité, fraternité hielt. Seine Interpretation hätte Robespierre sicher überrascht, dachte ich, aber der Marquis de Sade hätte vollkommen mit ihm übereingestimmt.
Ich liebte seine rasanten Theorien. Als er sich jedoch schließlich in Identitätsfragen erging, verloren Jonathan und ich den roten Faden – ich, weil ich so kichern musste, als ich ihn beobachtete. Er hasst solche Situationen, dachte ich, Momente, in denen die niederen Ränge – Künstler, Verkäufer, Portiers – vergessen, dass sie nur Statisten in seinem Film sind. Er braucht sie zwar, damit sie sich um ihn scharen und ihm Dienste erweisen, aber er findet, sie sollten an ihrem Platz bleiben. Wenn sie ihre eigenen Geschichten ins Spiel bringen, schaudert er. Der vornehme Bastard. In einem früheren Jahrhundert hätten ihn diese Leute sicher auf die Guillotine geschickt. Aber, schalt ich mich, solche Ideen standen mir wahrscheinlich nicht mehr zu.
Und um fair zu bleiben: Sein Vortrag hatte uns zu viel Zeit gekostet. Eigentlich hatte Jonathan mir auch ein Kleid für diesen Abend kaufen wollen. Aber Freaky François hatte so viel Zeit beansprucht, dass es nach dem Besuch des Wäschegeschäfts zu spät war und wir nur noch ins Hotel zurückkehren konnten. Ich hatte ein Kleid in meinem Rucksack – eigentlich nur ein dunkelroter Pullover –, der mir bis zur Hälfte der Oberschenkel reichte, aber es war aus Cashmere mit einem weiten Rollkragen. Ich hatte es sorgfältig zusammengerollt, damit es nicht knitterte, und breitete es jetzt auf einem Sessel neben dem großen dreiteiligen Spiegel in unserem Hotelzimmer aus.
Natürlich hätte ich lieber etwas getragen, das Jonathan für mich ausgesucht hatte. Aber es spielte nicht wirklich eine Rolle. Das Wichtigste war vorhanden. Ich war ausstaffiert und zur Benutzung aufgetakelt.
Ich betrachtete mein Spiegelbild, den neuen Kragen und die Manschetten, das schwarze Korsett, das sich eng um meine Taille schmiegte. Fetischismus, dachte ich: Fetischismus ist Dirty Talk von Dingen. Jonathan hatte gestern Abend Recht gehabt: Ich sah wirklich albern aus ohne Fesseln – schlampig, verträumt, verloren. Ich musste an meinen Platz verwiesen werden. Leder musste sich gegen meine Kehle drücken und Stahl meine Taille umschmiegen. Ich musste von High Heels aus dem Gleichgewicht gebracht werden, weil sie meine Hüften zurückschoben und meinen Hintern zur Geltung brachten. Ich konnte ohne Erlaubnis nicht sprechen, aber die Fetische waren laut und unübersehbar – ein Chor von Ritualen und Regeln. Von Rang und Autorität, Hierarchie und Befehlen, mein stummer, zerschlagener Körper ein ewiger Novize.
»Bring dein Make-up in Ordnung«, hatte Jonathan vor ein paar Minuten gesagt, als ich den Kopf von seinem Schwanz gehoben hatte. Er hatte in die Tasche gegriffen und mir einen neuen pflaumenfarbenen, fast schwarzen Lippenstift gereicht. Ich musste ihn sehr präzise auftragen, denn wenn er über die Lippenlinie hinausging, würde ich aussehen wie ein Clown.
»Zeit, zum Abendessen zu gehen«, rief er jetzt, als ich vorsichtig meine Lippen abtupfte (er hatte mir heute früh meine Uhr abgenommen, als ich sie anlegen wollte). Er lag noch auf dem Bett, während es draußen schon dämmerte. Außer der hellen Lampe, in deren Schein ich mich schminkte, hatten wir kein Licht angemacht. Ich konnte seine Beine im Spiegel sehen, seine langen schmalen Füße. Mein Make-up sah okay aus, fand ich.
»Zieh dein Kleid an und lass mich dich ansehen«, fügte er hinzu. Ich zog es über den Kopf, strich den Rock um die Hüften glatt und zog den Schalkragen leicht nach unten, damit man das Leder um meinen Hals sehen konnte. Ich drehte mich zu ihm, mit gesenkten Augen und leicht offenem, dunkel geschminktem Mund.
Und bis zum Essen gab er mir nicht die Erlaubnis, den Blick zu heben. Zu seiner seidigen grauen Hemdbrust und der Krawatte in einem helleren Grau. Und zu seinen Schultern, seinem dunklen Jackett, dessen Kontrast sich von der Vase mit den
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