Untitled
von diesem Nicolas Jaar. Das hat seinen Ursprung in der Hustensaftszene von – Houston, Texas, wie Klaus Stockhausen erzählt. Den Nachruf auf Kai können wir ebenfalls einarbeiten. – Du hast Drogen genommen, stellt Lorraine fest, die, wie mir gerade erst auffällt, ihren dunklen Pagenkopf gegen eine gebleichte Kurzhaarfrisur mit Seitenscheitel eingetauscht hat. Erin, bislang in einer Nische zwischen gläserner Wand, Garderobenständer und meinem von dort herabhängenden Pilotenparka eingedöst, findet ihr Interesse durch das geheime Wort geweckt. Sie bekräftigt die Dringlichkeit eines solchen Essays, eventuell sogar angereichert durch eine Betrachtung des Farbspektrums Lila – freilich vor allem, um ihr Spezialgebiet, Leben und Werk der Germaine Dulac, nach vorne zu bringen. Die Lieblingsfilmregisseurin von Virginia Woolf habe bereits in den Zwanzigerjahren das Blinzeln der Augen ihrer Tänzerprotagonistin absichtsvoll verlangsamt, um, so Erins Theorie: die Merkmale deren Existenz in der Zeit zu betonen.
Aha! (Lorraine)
Sie trug ausschließlich Männerkleidung (Erin). Ein Tomboy avant la lettre, Lorraine!
So machen wirs also (ich). Es ist zehn nach zwei, ich verweise auf ein wichtiges Telefonat.
Eine Null und zehn Ziffern in Folge, keinerlei erkennbares System. Wahrscheinlich gibt es Hunderte weiblicher Menschen, deren Stimmbild derart gewellt ist und mit Namen Julia Speer. Vor ein paar Jahren las ich auf edge.org den Text eines russischen Physikers, der seine Überlegungen zu einem Phänomen einleitete mit einer These: Genau jetzt gibt es im Universum noch eine unbestimmte Anzahlvon Planeten, auf denen ebenfalls George W. Bush Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist.
Das Phänomen, auf das er dann zu sprechen kam, ist mir entfallen.
Spe-her?
Die Melodie ist anders als jene, die der Zimmerwirt aus den Vokalen ihres Namens komponiert hatte. Ganz anders! Ich muss lachen. Sie muss auch lachen. Übergangslos herrscht die Fröhlichkeit wieder, so als hätte es das Zerwürfnis, den schlimmen Schmerz und die Trennungswut nie gegeben. Ich will mich hinlegen, während wir miteinander sprechen, so wohl fühle ich mich; geborgen in der Gegenwart ihrer Stimme – und es ist mir egal, dass die Wände meines Büros ganz aus Glas gemacht sind samt der Tür. Und dass auf dem Gang vor meiner Tür ständig Menschen auf und ab gehen, da am Ende des Ganges der Balkon liegt, auf dem geraucht werden darf. Ich strecke mich auf der Platte meines Schreibtisches aus.
Was machst du da, fragt Julia.
Ich lege mich hin.
Ach so. Wo bist du denn?
Im Büro.
Wie lustig!
Wir sind ganz jung, so fühlt es sich an, wenn ich ihre Stimme höre, wenn wir reden. Wir sind jung und fröhlich, es ist niemand sonst da. Die Sonne scheint, der Garten hat eine schattige Ecke. Wir tragen T-Shirts und darunter nichts. Das fühlt sich schön an, weil nichts zwickt und man den Wind spürt auf der Haut. So ist das Gefühl, wenn wir miteinander sprechen: Streicheln mit Stimmen. Anfassen von Gehirn zu Gehirn. Worüber wir sprechen, ist beinahe egal. Oft brechen die Sätze ab und wir müssen lachen und es beginnt der andere mit etwas anderem von vorn. Der Windstreicht wieder um den Ginsterbusch, die Zehen schieben den losen, warmen Sand beiseite und scharren sich tiefer in die verdichtete, feuchte dunklere Schicht. Ich kann die warmen Piniennadeln riechen. Aber dann, mit einem Mal, ich weiß nicht, wie wir uns verirren konnten, wird es kalt. Julia sagt, dass ich bitte verstehen muss: in den nächsten vier Wochen, wenn sie Skiferien macht, dürfen wir weder telefonieren noch uns heimlich schreiben. Julia sagt, sonst kann sie sich nicht konzentrieren auf die Beziehung zu ihrem Mann. Und dann, sagt Julia, geht es ihr schlecht. Ich wünschte, sie würde aufhören, von ihrem Mann zu sprechen, denn dabei geht es mir schlecht. Aber Julia hört nicht auf. Gleich mehrfach nennt sie seinen Namen – Frederick ist so wichtig für mich. Ohne Frederick sterbe ich. Ich will mich nicht von Frederick trennen, auf gar keinen Fall. Und ich kann ihr nicht sagen, dass ich das alles nicht hören will, weil es mich nichts angeht, was soll ich denn dazu auch sagen? Natürlich will ich nichts lieber, als dass sie Frederick verlässt. Aber natürlich liegt mir nichts mehr am Herzen, als dass es Julia nicht schlecht geht, sondern nur gut. Weil sie nur gut ist, weil ihre Stimme mich streichelt und wärmt, selbst wenn sie, wie jetzt, von Frederick spricht. Aber es ist
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