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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Bessing
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fein wie die Stielaugen der Schnirkelschnecken. Sie versuchte sich vorzustellen, was ich wohl machte, aber da war nur dieses eine Bild: Der Kuss im Badezimmer. Was war zu wissen?
    Was sollte sie tun?
    Was war zu hoffen?
    Wer war dieser Mensch? In der Zeitschrift neben ihr war ein Artikel über ein Buch, von dem er vorhin noch gesprochen hatte. Nicht das von Plotin, ein anderes, das sie noch nicht kannte. Nun sagte ihr das etwas. Sie sah den Artikel, den sie bereits gelesen hatte, nur dachte sie dabei jetzt unweigerlich an ihn.
    Dann geschah etwas Merkwürdiges: Frederick war am Telefon, sie ging natürlich ran und wie von allein erzählte sie von dem gestrigen Abend, berichtete ihm, ohne etwas auszulassen – beinahe alles, das mit dem Bücherregal kam auch vor, nur den Kuss im Badezimmer und den in der Toilette der Bar, das mit der Zahnpasta und dem Schaum ließ sie weg. Trotzdem ergab ihre Erzählung für ihn noch Sinn. Und trotzdem freute sie sich darauf, Frederick am Wochenende wiederzusehen. Das bedeutete doch, dass sich zwischen ihnen nichts verändert hatte. Dass die Verzauberung sie alleine betraf. Ihr Leben mit Frederick war davon unangetastet geblieben und dürfte so weitergehen. Der Liebespfeil hatte Julia nicht beschädigt, er brachte eine Bereicherung. Also wirklich wie Zauberei. Das Küssen schadete nicht. Und Julia beschloss, dem noch etwasweiter nachzugehen. Als er sie am Abend jenes Tages nach jenem Abend im Februar fragte, ob er sie wiedersehen dürfte, schrieb sie: Ja.
    Das lohnte sich, das zauberische Gefühl hielt an und ließ sich sogar noch verstärken. Die Treffen und das Küssen waren wie das Hochgeschleudertwerden auf einer Schaukel, plötzlich gab es für Julia wieder dieses herrliche Gefühl, das gemischt schien aus Angst und aus Lust, ein scharfes Ziehen im Leib, das sie warnte, dass sie sich nicht würde halten können auf dem Brett dieser Schaukel, gleich herabstürzen müsste – aber da kippte es bereits wieder und es ging nach hinten hinaus und so fort. So war das wohl, wenn man sich vergaß, wenn man drauf und dran war, den Kopf zu verlieren, wenn man, wie Julia vor allem, ganz unbedingt herausfinden wollte, ob sich das Rauschgefühl noch weiter steigern ließe; was danach noch kam. Oder, zumindest: ob es sich hielt.
    Das tat es. Aber es breitete sich auch aus. Die Wiedersehenslust zielte dann nicht bloß auf die Küsse ab und das Umarmen. Es gab nun die Neugierde, mehr über diesen Menschen zu erfahren. Was er gemacht hatte, wo er gesteckt hatte, bevor sie sich vor dem Bücherregal begegnet waren. Was sie verpasst hatten. Von ihren Leben. Von uns.
    Und damit fingen die Probleme an. Jetzt schien es Julia so, als ob das Küssenwollen nur eine Komponente dieser Neugierde gewesen war. Als ob es ihr von vornherein um mehr gegangen war. Um etwas Ernstes, wie es so unpassend hieß, weil es ja nichts Schlimmes war, keine Krankheit, sondern sehr schön. Und sehr problematisch. Denn sie hatte ja Frederick. Und der war das Wichtigste. Ohne Frederick, ohne um ihn zu wissen, hätte sich Julia nie auf die Schaukel getraut. Es war unendlich wichtig für sie zu wissen, dass Frederick für sie da war. Auch und gerade,wenn sie von einem heimlichen Treffen zurückkehrte. Mehr brauchte sie nicht zu wissen von der Sicherheit.
    Frederick hielt sein Buch zugeklappt mit der Frage, ob sie aufbrechen wollten? Julia sah auf die Uhr. Sie wollte gerne noch etwas lesen. Er studierte den abwesenden Ausdruck auf ihrem Gesicht: Da widerspreche sie sich aber. Und ihr fiel Walt Whitman ein:
    Do I contradict myself?
Very well then I contradict myself
(I am large, I contain multitudes.)
    Das Oszillieren dazwischen empfand sie als angenehm. Zwischen zwei Männern, zwei Sphären beinahe, doch nicht derart krass unterschiedlich, dass sie in der Schnittmenge zu einer ganz anderen geworden wäre. Allerdings musste sie höllisch aufpassen, der anderen Sphäre nicht zu nahe zu kommen. Nicht zu viel von dort aufzunehmen. Passierte ihr das, zeigte Frederick sich verstimmt. Und das, obwohl sie ihn mit Zuneigung überschüttete. Dass sie seiner Anformungslust nachgab, genügte Frederick aber offenbar nicht. Und die Begegnungen, die sie mit dem anderen erlebte, die EM ails und Lieder und Fotos, die sie mit ihm tauschte, veränderten anscheinend ihr Kommunikationsverhalten (ihr selbst war das peinlicherweise nicht aufgefallen, sie hatte geglaubt, das Gegenteil sei der Fall, sie fühlte sich doch so gut). Auch ihre Aufmerksamkeit

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