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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Bessing
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zugedachte Rolle, und genau so:) Beiläufig brachte die Institutionalisierung ihrer Beziehung eine Veränderung. Zwar nicht auf ihrer Hälfte, wie Julia es feststellen wollte, jedenfalls nicht ursprünglich, dafür bei Frederick – und somit, das war nun das Wesen einer Beziehung: doch auch bei ihr. Ihr Bekenntnis vor dem Gesetz hatte offenbar seine Verlustangst nicht beseitigen können. Gewisse Tendenzen, sich über ihre Lebhaftigkeit, über spontane Entschlüsse, ihre Neigung zum Waghalsigen, das einfach mal Lossingen, wenn ihr ein Song gefiel, zu wundern, die hatte sie bei ihm freilich schon vor der Eheschließung beobachtet. Und niedlich gefunden! Damit wollte er, so hatte sie das damals gesehen (oder sehen wollen:) dem tradierten Bild des Nerds entsprechen. Julias Erwartungshaltung war hier frühkindlich durch den Doktor Honigtau-Bunsenbrenner aus der Muppets Show geprägt; immer hatte sie den Doktor besser gefunden als seinen Laboranten Beaker, diese sprechende Toilettenpapierhülse, die zudem noch einen roten Schopf gehabt hatte; wohingegen an seinem Vorgesetzten so gar nichts Mädchenhaftes war, und dessen augenlose Brille die kindliche Julia zwar anders als die Hypnopupillen der Schlange Kaa, aber ebenfalls hypnotisierend fand, während sie an den Samstagnachmittagen auf dem marokkanischen Lederkissen mit ihren abgezählten Gummibärchen im Lieblingsschälchen nah vor den Bildschirm gerückt diese Sendung schauen durfte: Willkommen mal wieder im Muppet-Labor, wo die morgige Zukunft schon heute gemacht wird. Doktor Honigtau-Bunsenbrenner hat Neuigkeiten für Sie, die Sie erzittern lassen – Julia konnte die schöne Begrüßungnoch immer auswendig, so war sie wohl einst an die Wissenschaft herangeführt worden! Und dann natürlich ihr heiß geliebter Chemiebaukasten von Kosmos. Und der zur Elektronik, mit dem sie sich den Kristall-Detektor gebaut hatte, der das Rohr des Heizkörpers neben ihrem Bett als Antenne nutzte (und sie hatte das stundenlange Musikhören entdeckt, nachts, nach dem Lichtausschalten, mit dem Hörknopf aus transparentem Kunststoff).
    Wenn sie und Frederick sich solche Geschichten erzählten, war er ganz Ohr. Dann wurde es lustig und sie lachten sehr viel. Es war ihm wichtig, dass er sich gut in ihrer Vergangenheit auskannte. Damit, mit dem Erzählen des Lebens, das der andere verpasst hatte – einfach nur, weil man sich zu spät erst begegnet war –, verbrachten sie die meiste Zeit. Wer nicht? War das doch das Schönste an dem geliebten Menschen, wenn nicht an allen Menschen: dass es da noch eine Geschichte gab, die man sich keinesfalls selbst ausdenken konnte. Und dennoch plausibel. Und das gleich milliardenfach. Zwei unter Milliarden, das fiel ihnen beiden wohl – so sehr in sync nach all den schönen Jahren – immer dann gleichzeitig ein, wenn sie viel zu lachen gehabt hatten. Und, ernster werdend, schauten sie sich dann in die Augen. Länger oft, was schön war (wie in dem Song von Joe Jackson beschrieben, in den sie laut und schön einstimmte, wenn sie alleine war). Und beim lang in seine Augen Schauen fiel Julia dann immer immer immer diese Szene mit Michel aus Lönneberga ein, wenn Michel nachts mit dem Knecht Alfred zum Krebsfischen geht mit den Kerzen. Und Michel sagt: Ach Alfred: du und ich – wir beide. Und Alfred sagt abschließend: Ja Michel, wir beide – du und ich. Und immer wenn Julia dies wieder eingefallen war, fühlte sie sich wie Michel. Das behielt sie für sich.

    Dass Frederick und sie zusammen waren – das stand schon längst vor der Eheschließung so etwas von fest. Ihm schien das aber noch immer nicht zu reichen – wie nahe konnte man sich denn kommen können? Also: generell? Was sie betraf: Ihr war es an Nähe genug. Doch behielt sie das für sich, denn Frederick würde aus ihrer Feststellung im Umkehrschluss ziehen, dass er sie bedrängte. Das Wort wieder käme dann auf den Tisch. Das wollte Julia auf gar keinen Fall. Diskussionen solcher Art: Was das denn schon wieder sollte – so halb zwischen Ausrufezeichen und Frage-, er habe alles getan. Wirklich schon nun. Hatte er ja auch. Eventuell halt ein bisschen zu sehr. Zu viel. Vermutlich. Ziemlich wahrscheinlich sogar. Ging es denn darum, anzukommen? Wohin denn? Ans Ende? Gab es das überhaupt? Schauderhafte Vorstellung, wie Milchhaut!
    Julia war sich recht sicher, dass sie das richtig sah: Frederick hatte sich ihr angepasst. Und zwar nicht in einem mimetischen Sinne, aus Hochachtung, Verehrung, von der

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