Untitled
Wahnsinn meiner Frau bin ich was Dir beweisen mag, daß es sich um einen echten Wahnsinn handelt - ich, der ich stets ganz für meine Familie gelebt habe, ausschließlich, und für meine Arbeit, der ich mich von jeder menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen habe, um ihr, um ihrem Wahnsinn auch nicht den geringsten Vorwand zum Ausbruch zugeben. Aber leider hat es nichts genützt; denn hier kann nichts mehr nützen! Die Ärzte haben erklärt, es handle sich um eine unheilbare Form der Paranoia, die übrigens in ihrer Familie erblich ist…
Du wirst verstehen, daß in dieser Situation, soviel ich auch verdienen mag mit meiner unter diesen Bedingungen geleisteten Arbeit, sosehr sie, meine Frau, auch gewisse Renditen haben mag, das Geld niemals ausreicht: Alles, was hereinkommt, wird sofort verschlungen, wird aufge fressen von dem Chaos, das in meinem Hause als absoluter Souverän herrscht und auf dem Kopf die Schellenkappe des Wahnsinns trägt.
Zudem habe ich nicht nur ein Haus, nicht nur ein Inferno, sondern zwei Häuser, ein doppeltes Inferno, eins hier in Rom, das andere in Agrigent; und zwei oder dreimal jährlich darf ich meine Familie, meine drei unglücklichen Kinder, aus dem einen Inferno ins andere übersiedeln, zu ihrer Mama, die auf der Suche nach ihrer verlorenen Vernunft umherirrt und sie doch an keinem Ort finden kann. Bald glaubt sie, sie hier zu finden, und bleibt einen Monat oder zwei in Rom; sie findet sie nicht und flieht wieder dort hinunter. Im Augenblick ist sie hier bei mir; aber am Montag, noch diesen Montag wird sie wieder nach Sizilien fahren. Die Koffer sind schon gepackt, und ich muß sie mit einem der Kinder in Agrigent absetzen.
Du siehst also, die Ablehnung des Romans, auf dessen Ertrag ich für dringende und hohe Ausgaben gezählt habe, trifft mich gerade im besten Augenblick…
Warum behauptet Luigi in einem Brief von 1914, seine Frau sei seit fünf Jahren wahnsinnig, wo doch jeder weiß, daß die eigentliche Krankheit gut elf Jahre früher begonnen hatte, also 1903. Die Sache ist die: die allmähliche Verschlimmerung von Antoniettas Krankheit bis zu dem Punkt, wo Luigi sich gezwungen sah, sich häufiger von Zuhause wegzubegeben (oder seine Frau entfernen zu lassen), und zwar über mehrere Monate hinweg und das wegen der zunehmenden Gewalt der Eifersuchtsszenen, geht ganz genau auf das Jahr 1909 zurück: zu diesem Zeitpunkt erhält sie die Mitteilung vom Tod ihres Vaters. Don Calogero, der von Gerichts wegen gezwungen worden war, die Mitgift der Tochter wieder sicherzustellen, allerdings mit nicht übertragbaren Titeln, die nur eine minimale Rendite abwarfen - damit wollte er seinem Schwiegersohn eine neuerliche Kränkung zufügen -, und auf diese bescheidene Rendite Antoniettas bezieht Luigi sich in seinem Brief, hatte seiner Tochter immer sehr nahe gestanden. Sein Tod zerstört und kappt die letzte zerbrechliche Verbindung Antoniettas mit der Realität. Auf Bitten Luigis schrieb Portolano ihr häufig Briefe, die wenigstens für eine gewisse Zeit dazu dienten, die Exzesse einzudämmen. Nach dem Tod des Vaters will Antonietta keinerlei Beziehung mehr zu ihrem Mann, sie haßt ihn, sie verabscheut ihn. Andererseits bewirkt auch der Tod keine Veränderung in Luigis grundlegender Verachtung für den Schwiegervater. Und als die Schwäger (die das väterliche Testament verschwinden ließen, in dem Antonietta begünstigt wurde) den inzwischen bekannten Schriftsteller bitten, die Inschrift auf Portolanos Grabstein zu diktieren, da zieht Luigi sich nicht zurück, ganz im Gegenteil.
HIER ENDLICH RUHT
NACH EINEM LEBEN VOLLER ARBEIT
MEHR ZU DER ANDEREN
ALS ZUM EIGENEN WOHL
CALOGERO PORTOLANO…
Nun war es sowohl in Girgenti als auch in Porto Empedocle bekannt, daß der Verstorbene zu Lebzeiten niemals an Krankheiten gelitten hatte, und so war es klar vor aller Augen, daß es sich hier nicht um einen Grabstein handelte, sondern um eine Steinigung. Dieses endlich war der Seufzer einer glücklichen Zufriedenheit Luigis, daß er von der irritierenden Gegenwart des Schwiegervaters befreit worden war, der keine Gelegenheit ausließ, ihm die Leichtfertigkeit vorzuwerfen, Don Stefano die Mitgift Antoniettas überlassen zu haben. Außerdem, dieser Hinweis, daß Portolano immer zu der anderen Wohl gearbeitet habe, ist ein sehr doppeldeutiger Satz, denn jedermann wußte ja, daß der Verstorbene nicht nur ein Händler, sondern auch ein Geldverleiher war und dafür Wucherzinsen
Weitere Kostenlose Bücher