Untitled
Mario Labroca und zwei oder drei weitere… wir waren mitgenommen und aufgewühlt, nicht nur wegen des Stücks, sondern auch aufgrund der Leidenschaft, die Pirandello ins Vorlesen legte… Dies war ein Vortrag, bei welchem er die Rolle sämtlicher Figuren übernahm und durchlebte, beinahe schmerzlich, alle ihre Leidenschaften, ihre Liebe, ihren Haß, ihre Freude und ihren Schmerz, Ekstase und Ironie… seine Stimme klang im Nebenzimmer nicht wie die von einer, sondern wie die von zehn Personen… Am Ende… diskutierten wir wie Rasende um Pirandello geschart.«
Sicher, es ist geradezu lächerlich, über dieses Drama, das »die Quintessenz des modernen Dramas« (Peter Szondi) darstellt, hier Worte zu verlieren. Wir beschränken uns darauf zu sagen, daß es möglicherweise die Zusammenfügung jenes gigantischen Puzzles markiert, das die Verflechtung zwischen dem Leben Pirandellos und seinem schriftstellerischen Werk in einem ständigen Gehen und Kommen von der Realität zu ihrer Transfiguration gewesen ist. In der scharfsichtigen Würdigung für Pirandello, die Massimo Bontempelli in der Accademia d'Italia am 17. Januar 1937 vortrug, wird gesagt, daß »das gesamte Bühnenwerk Pirandellos eine Denunzierung von Konsequenzen« sei. Und er fügt hinzu:
»Viele Jahre, bitte, beachten Sie das, viele Jahre vor den Sechs Personen hatte er diese klaren Worte geschrieben: Die Natur bedient sich des Instruments der menschlichen Phantasie, um ihr Schöpfungswerk weiterzuführen. Und wer dank dieser kreativen, im menschlichen Geist beheimateten Tätigkeit in die Welt tritt, wird von Natur aus zu einem weitaus höheren Leben verpflichtet, als es das Leben dessen ist, der aus dem sterblichen Schoß einer Frau geboren wird. Wer als Figur geboren wird, wer das Glück hat, als lebendige Figur geboren zu werden… Kurzum: Roman- oder Theaterfiguren sind die einzige Wahrheit. Mit der Figur hat die Menschheit das Unverwechselbare, das Unveränderbare, das Unzerstörbare, das Ewige wiedergefunden. Das heißt: die Gewißheit. Der Vater in den Sechs Personen, er, der als Mensch am härtesten geschlagen ist, darf das Haupt hoheitsvoll erheben, wenn er dem Theaterdirektor sagt: Ich bin wirklich, Sie nicht.«
Ja, der Vater ist wirklich, er ist eine Gewißheit, eben weil er zu einer Figur geworden ist, während der Theaterdirektor nur auf den Brettern der Bühne lebt. Diese Figur des Vaters, in dem »sich die innerste Wahrheit Pirandellos ausdrückt« (Szondi), eine Wahrheit, die sich durch eine Art Mischung, durch Osmose zwischen dem Autor und der Figur des Vaters noch mehr verdichtet und verstärkt hat. Unterschwellige, in der Tiefe verlaufende feinste Kanäle, die den Lebenssaft von einem zum anderen transportieren und in ihrer Verflechtung miteinander die Identifikation und Bestimmung der Zugehörigkeit erschweren. Und in diesem Licht erscheint die später geschriebene Vorbemerkung wie ein schlecht gelungener Versuch der Ablenkung, so, als wolle der Autor sich die Hände reinwaschen, indem er alles der hohen Phantasie zuschreibt. Doch diese Vorbemerkung nützt nichts, sie reicht nicht aus.
DIREKTOR: Und wo ist das Manuskript?
VATER: In uns, Herr Direktor!
Dialogstellen wie diese:
VATER: Schauen Sie - mein Mitgefühl, mein ganzes Mitleid für diese Frau - (zeigt auf die Mutter) ist von ihr als grausame Unbarmherzigkeit aufgefaßt worden. MUTTER: Aber du hast mich doch fortgejagt!
VATER: Da hören Sie es! Fortgejagt! Sie war der Meinung, ich hätte sie davongejagt!
MUTTER: Du verstehst zu reden - ich kann das nicht. Aber glauben Sie mir, Herr Direktor, nachdem er mich geheiratet hatte… wer weiß warum, ich war eine arme, bescheidene Frau…
VATER: Gerade deswegen, wegen deiner Bescheidenheit, die mir so gefiel, habe ich dich geheiratet, weil ich glaubte… (Er unterbricht, da sie abwehrt, hebt verzweifelt die Arme, weil er sieht, daß es unmöglich ist, sich mit ihr zu verständigen, und wendet sich wieder an den Direktor:) Nein, sehen Sie? Sie sagt nein! Schrecklich, glauben Sie mir, Herr Direktor, schrecklich ist (schlägt sich an die Stirn) ihre Taubheit, ihre geistige Taubheit! Herz? Ja, für die Kinder. Aber das Gehirn ist taub und stumpf, zum Verzweifeln stumpf.
Welche reale Erinnerung schleppen sie mit sich? Sie scheinen sich nicht so sehr auf die Augenblicke der Ehekrise zwischen Donna Caterina und Don Stefano zu beziehen, als er sich wieder mit seiner früheren Verlobten zusammentut, sondern eher, wenn
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