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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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gegen Ehen ohne Liebe predigen kann. Und dann ist da unter dem Mantel des Pflichtbewußtseins noch die beiläufig gestellte verfänglichste Frage: Weiß er… über das Unglück Deiner Mutter? Zu verlangen, daß Lietta einem jungen Mann gegenüber, der ihr schüchtern ein paar Aufmerksamkeiten bezeigt, gleich enthüllt, daß sie eine wahnsinnige Mutter hat, bedeutet, daß jeder Bewerber in eine Lage des Unbehagens und der Verunsicherung versetzt wird. Sicher, es ist mehr als richtig und ehrlich, wenn Lietta ihrem möglichen Verlobten das Unglück der Mutter offenbart, doch zum richtigen Zeitpunkt, dem, den sie für geeignet hält, anderenfalls würde sie sich doch ihre eigene Grube graben. Und das weiß Luigi, denn der Brief fährt folgendermaßen fort:
       Ich will Dich nicht dazu verurteilen, meine Lietta, an meiner Seite ein Leben der Entsagung und des Opfers zu leben… Ich weiß sehr wohl, was ich tun muß, um mein Töchterchen zufrieden zu stellen, und ich würde es zu diesem einzigen Lorbeer auch gerne tun, nämlich dem, sie glücklich zu sehen.
    Auch aus diesem Grund, um zu verhindern, daß Lietta endgültig das Haus verläßt, wartet Luigi ungeduldig auf Stefanos Rückkehr aus der Gefangenschaft: die schmerzvolle Entscheidung muß getroffen werden, Antonietta in eine geschlossene Einrichtung einzuliefern.

    DON STEFANO KOMMT

    Nach dem Tod seiner Frau ist Don Stefano alleine geblieben, seine Kinder haben sich ihre eigenen Familien geschaffen.
    Zudem hat sich seine Gesundheit verschlechtert: er ist halb blind, er geht nur mit Schwierigkeit, er braucht Unterstützung. Sicher hat es einen Briefwechsel unter den Kindern gegeben, um eine würdevolle Unterbringung für den alten Vater zu finden, doch am Ende löst sich alles so auf, daß man der alten sizilianischen Tradition folgt, die darin besteht, daß der Vater, wenn er verwitwet oder krank ist, in die Obhut der ältesten Schwester kommt, auch wenn sie verheiratet ist. So geht Don Stefano in Begleitung seines Sohnes Giovanni zu Lina nach Rom, wohin sie mit der Familie gezogen ist. Lina stellt ihm ein kleines Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung, die sich genau unterhalb von der Wohnung befindet. Sicher gibt es einen Streit zwischen Luigi und der Schwester: Lina ist finanziell nicht in der Lage, die Bedürfnisse Don Stefanos zu erfüllen, und Luigi wird sich verpflichtet haben, seinen Anteil an den Ausgaben beizusteuern. Das ist eine Beteiligung, der er sich nicht entziehen kann, auch wenn er es wollte: es »trifft« ihn, wie man dazu bei ihm (und bei mir) sagt, es ist seine Pflicht. Aber es ergibt sich eine logistische Situation, die Luigi in der ersten Zeit sicher in Bedrängnis bringt, der seit langem die Beziehung zu seinem Vater abgebrochen hat. Die kleine angemietete Villa befindet sich in der Via Pietralata, ist umgeben von einem kleinen Garten, und man gelangt über einen schlammigen, unbefahrbaren Weg, fast einen Feldweg dahin. Ein Foto aus jenen Jahren zeigt uns Don Stefano im Garten, beide Hände fest um den Gehstock geklammert, Schiebermütze auf, kleine Augen hinter der Brille, hager vom Alter und von der Krankheit, und hinter ihm erblickt man die kleine Villa, in der er mit seinen Verwandten wohnt. Die Begegnungen mit dem Vater werden also unumgänglich, vor allem, wenn er auf einen kurzen Schwatz zu seiner Schwester Lina geht, mit der er immer noch eng verbunden ist. Und oft wird er von seinem Fenster aus gesehen haben, wie Don Stefano auf wackeligen Beinen durch den Garten ging, wird er die tiefgreifende körperliche Veränderung dieses Mannes gesehen haben, der in seiner Erinnerung noch jung, tatkräftig und gewalttätig weiterlebt. Und andere Male wird er ihn eingeschlafen auf der Bank im Garten oder in einem eigens dorthin getragenen Korbsessel gesehen haben.
       Er schlief einen ganz anderen Schlaf: einen Schlaf mit offenem Mund, den Schlaf eines müden und kranken Alten. Es schien als hätten die dünnen Lider nicht einmal mehr die Kraft, sich über den harten schmerzenden Äpfeln der verschleierten Augen richtig zu schließen. Die Nasenflügel zogen sich zusammen in der pfeifenden Anstrengung seines unregelmäßigen Atems, der die Herzkrankheit deutlich verriet.
       Das selbe, ausgemergelte, spitz gewordene Gesicht… mit diesem Speichelfaden, der von der hängenden Lippe herunterhing… Was für eine Grausamkeit, was für ein grausames Schauspiel, dieser Schlaf eines Alten! Und auch in der unendlichen Misere dieses erschöpften,

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