Untitled
Klauenhand senkte, auf Carries Schulter legte und das Mädchen vom Stuhl zerrte.
»Ich habe es gesehen, schon gut. O ja. Aber. Ich. Niemals. Tat. Nur für ihn. Er. Nahm. Mich...« Sie hielt inne, ihre Augen richteten sich nach oben. Carrie bekam furchtbare Angst. Momma schien die Geburtswehen einer Offenbarung durchzumachen, die sie umbringen konnten.
»Momma «
»In Autos. Oh, ich weiß, wohin die einen in ihren Autos bringen. Freudenhäuser. Absteigen. Whisky. Geruch... Oh, sie riechen es an dir!« Ihre Stimme schwoll zu einem Schrei an. Die Adern traten an ihrem Hals hervor, und ihr Kopf drehte sich rasend schnell hin und her.
»Momma, du solltest lieber aufhören.«
Das schien sie ein wenig in die Wirklichkeit zurückzuholen. Ihre Lippen öffneten sich zu einem etwas überraschten Lächeln, und sie hielt inne, wie um sich an alte Gewohnheiten zu klammern in einer neuen Welt.
»Die Kammer«, murmelte sie. »Geh in deine Kammer.«
»Nein.«
Momma hob die Hand zum Schlag.
»Nein!«
Die Hand blieb in der Luft. Momma starrte hinauf, als wollte sie sich davon überzeugen, daß sie noch da war und unversehrt.
Plötzlich hob sich die Auflaufform von ihrem Untersatz auf dem Tisch und wirbelte durchs Zimmer, um neben der Tür zum Wohnzimmer inmitten eines Schwalles von Blaubeermus zu zerschellen.
»Ich gehe, Momma!«
Mommas Teetasse hob sich und flog knapp an ihrem Kopf vorbei und zerbrach über dem Herd. Momma schrie auf und fiel auf die Knie, die Hände über dem Kopf.
»Teufelskind«, stöhnte sie. »Kind des Teufels, Satansbrut «
»Momma, steh auf.«
»Lust und Ausschweifungen, die Begierden des Fleisches «
»Steh auf!«
Momma stand tatsächlich auf, die Hände noch immer über den Kopf erhoben, wie ein Kriegsgefangener. Ihre Lippen bewegten sich. Carrie glaubte, sie das Vaterunser sprechen zu hören.
»Ich will mich nicht mit dir herumstreiten, Momma«, sagte Carrie, und ihre Stimme versagte beinahe. Sie mußte sich sehr zusammennehmen. »Ich will nur, daß du mich mein eigenes Leben leben läßt. Ich... ich mag deines nicht.« Sie hielt ein, über sich selbst entsetzt. Die letzte Gotteslästerung war ausgesprochen, und das war tausendmal schlimmer als das F-Wort.
»Hexe«, flüsterte Momma. »Es steht geschrieben im Buch des Herrn: Du sollst nicht das Leben einer Hexe dulden. Dein Vater tat die Arbeit des Herrn «
»Darüber möchte ich nicht sprechen«, sagte Carrie. Es war ihr immer unangenehm, wenn ihre Mutter über ihren Vater sprach. »Ich will nur, daß du begreifst, daß sich hier einiges ändern wird, Momma.« Ihre Augen leuchteten. »Sie sollten es lieber auch begreifen.«
Aber Momma flüsterte weiter vor sich hin.
Unbefriedigt, mit einem Gefühl der Leere in der Kehle und einem flauen Gefühl im Magen, ging Carrie in den Keller, um den Stoff für das Kleid zu holen.
Es war besser als die Kammer. Das war es. Alles war besser als die Kammer mit dem blauen Licht und dem überwältigenden Gestank nach Schweiß und Sünden. Alles.
Sie stand da, hielt den eingepackten Stoff gegen ihre Brust gepreßt und schloß die Augen, um den schwachen Schimmer der von Spinnweben umhüllten Kellerlampe nicht mehr sehen zu müssen. Tommy Ross liebte sie nicht, das wußte sie. Das Ganze war eine seltsame Art der Buße, und sie konnte sie verstehen und sich damit einverstanden erklären. Sie hatte Wange an Wange mit dem Büßertum gelebt, seit sie alt genug
war, um denken zu können.
Er hatte gesagt, es würde gut werden daß sie dafür sorgen würden. Nun, sie würde dafür sorgen. Sie sollten lieber nicht anfangen. Lieber nicht. Sie wußte nicht, ob ihre Gabe vom Herrn des Lichtes oder der Finsternis kam. Und jetzt, da sie feststellte, daß ihr das auch ganz gleichgültig war, erfaßte sie eine unbeschreibliche Erleichterung, als sei eine riesige Last, die sie seit langem mit sich herumgeschleppt hatte, von ihren Schultern geglitten.
Oben murmelte Momma noch immer vor sich hin. Es war nicht das Vaterunser. Es war das Exorzismusgebet aus dem Fünften Buch Mose.
Aus: Mein Name ist Susan Snell (S. 23):
»Sie haben schließlich sogar einen Film draus gemacht. Ich hab ihn im vergangenen April gesehen. Als ich wieder rauskam, war mir schlecht. Wenn in Amerika irgend etwas Besonderes geschieht, müssen sie es vergolden, wie Babyschuhe. Dann kann man es vergessen. Und Carrie
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