Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
Vom Netzwerk:
durchaus der Wahrheit. Was wir später als einen Angriff hinstellten, war eigentlich nur ein Versuch gewesen, uns zurückzutreiben. Die Kampfhandlung war alles andere als aggressiv – sie war nicht einmal defensiv im üblichen Sinne: sie wurde unter dem Druck der Verzweiflung unternommen, und ihrem innersten Wesen nach galt sie dem Schutz.
      Sie entspann sich, möchte ich sagen, zwei Stunden nachdem der Nebel sich verzogen hatte, und sie begann an einem Punkt, der ungefähr anderthalb Meilen unterhalb von Kurtzens Station lag. Wir hatten uns gerade mühselig um eine Biegung des Flusses geschoben, als ich in der Mitte des Stroms eine kleine Insel sah, kaum mehr als ein strahlend grüner Grashügel. Weit und breit war nichts Dergleichen sonst zu sehen; aber als wir näherkamen, stellte ich fest, daß es die Spitze einer langen Sandbank war oder vielmehr einer Kette von flachen Stellen, die sich in der Strommitte hinzogen. Sie waren farblos und eben unter der Wasseroberfläche zu sehen, so wie sich die Wirbelsäule eines Menschen unter der Haut seines Rückens abzeichnet. Allem Anschein nach konnte ich mich ebensogut rechts wie links von dieser Kette halten. Freilich kannte ich keine der beiden Fahrrinnen. Die Ufer sahen ziemlich gleich aus, die Tiefe schien dieselbe; doch da man mir gesagt hatte, die Niederlassung befinde sich auf der westlichen Seite, steuerte ich natürlich auf die westliche Durchfahrt zu.
      Kaum waren wir richtig in diese Durchfahrt eingebogen, gewahrte ich, daß sie viel enger war, als ich gedacht hatte. Zu unserer Linken erstreckten sich die ausgedehnten, lückenlos aneinandergereihten Untiefen, zu unserer Rechten die hohe, steile Uferböschung, die dicht mit Gesträuch bewachsen war. Über dem Buschwerk erhoben sich in geschlossener Front die Bäume.
      Das Gezweig hing in dichter Masse über den Strom, und immer wieder ragte ein starker Ast starr über das Wasser hinaus.
      Es war inzwischen hoher Nachmittag geworden, das Antlitz des Waldes war düster, und schon fiel ein breiter Schattenstreifen über das Wasser. In diesem Schatten dampften wir flußaufwärts – sehr langsam, wie ihr euch denken könnt. Ich steuerte das Schiff hart ans Ufer heran, wo das Wasser, wie mir das Lot zeigte, am tiefsten war.
      Einer meiner hungrigen und geduldigen Freunde lotete im Bug, gerade unterhalb von mir. Dieser Dampfer war wie ein gedeckter Prahm gebaut. An Deck standen zwei kleine Teakholzhäuser mit Türen und Fenstern. Der Kessel war im Vorderteil untergebracht und die Maschine im Achterschiff. Darüber war ein leichtes, auf Stützen ruhendes Dach gespannt, durch das der Schornstein hindurchragte. Vor diesem stand eine kleine Bretterbude, die als Ruderhaus diente. Sie enthielt ein Sofa, zwei Feldstühle, ein geladenes Martini-Henry-Gewehr, das in einer Ecke lehnte, einen kleinen Tisch und das Steuerrad. Sie hatte eine große Türe nach vorne und breite Fensterläden nach beiden Seiten. Die waren natürlich alle weit aufgerissen. Dort, auf dem äußersten Vorsprung des Daches über der Tür hockend, verbrachte ich meine Tage. Des Nachts schlief ich auf dem Sofa, oder versuchte es zumindest. Ein muskulöser Schwarzer, der irgendeinem Küstenstamm angehörte und noch von meinem armen Vorgänger ausgebildet worden war, war mein Rudersmann. Er trug ein Paar Messingohrringe, war vom Gürtel bis zu den Knöcheln in ein blaues Tuch gehüllt und hielt sich für wer weiß wen. Er war der unzuverlässigste Wirrkopf, der mir je vorgekommen ist. Er steuerte mit unglaublichen Faxen, solange man sich in seiner Nähe aufhielt; doch sowie er einen aus den Augen verlor, bekam er eine Höllenangst und hatte im Nu die Gewalt über den alten Klapperkasten von einem Dampfer verloren.
      Ich sah gerade zum Peilstock hinunter und war recht verdrossen, da ich bemerkte, daß er bei jeder Lotung weiter aus dem Wasser schaute, als ich gewahrte, daß mein Mann das Loten plötzlich einstellte und sich flach hinlegte, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, seinen Peilstock einzuholen. Er hielt ihn allerdings fest und zog ihn im Wasser nach. Gleichzeitig setzte sich der Heizer, den ich ebenfalls unter mir sehen konnte, plötzlich vor seinen Kessel hin und duckte den Kopf. Ich war verblüfft.
      Dann mußte ich sehr schnell einen Blick auf den Fluß
    werfen, weil ein Baumstamm in dem Fahrwasser auftauchte. Stöcke, kleine Stöcke flogen durch die Luft – in Scharen: sie schwirrten vor meiner Nase vorüber, fielen

Weitere Kostenlose Bücher