Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
Vom Netzwerk:
Geschreis ließ mir unter meiner Mütze die Haare zu Berge steigen. Ich weiß nicht, wie die anderen davon berührt wurden: mir jedoch kam es vor, als habe der Nebel selber geschrien, so plötzlich und anscheinend von allen Seiten auf einmal hatte sich dieser tumultuöse und klägliche Lärm erhoben. Er gipfelte im kurzen Ausbruch eines fast unerträglich schrillen Kreischens, welches unvermittelt verstummte und uns erstarrt in allerlei albernen Stellungen dastehen und hartnäckig in die fast ebenso gräßliche und unmäßige Stille horchen ließ. ›Gütiger Gott! Was hat das zu bedeuten?‹ stammelte einer der Pilger neben mir, ein kleiner feister Mann, mit rotem Haar und Backenbart, der seitlich zugeknöpfte Stiefel trug, dazu einen rosafarbenen Pyjama, dessen Hosenbeine er in seine Socken gestopft hatte. Zwei andere standen minutenlang mit offenen Mündern da, dann rannten sie in die kleine Kajüte, preschten ungestüm wieder heraus, blieben stehen und sandten verängstigte Blicke in die Runde, ihre WinchesterFlinten ›schußbereit‹ in der Hand. Zu sehen war nur der Dampfer, auf dem wir standen und dessen Umrisse verschwommen waren, als wäre er in Auflösung begriffen, sowie ein dunstiger, vielleicht drei Fuß breiter Streifen Wasser rings um das Schiff – das war alles. Der Rest der Welt – soweit unser Auge und Ohr daran Teil hatten – war nirgendwo. Einfach nirgendwo. Fort, verschwunden; davongefegt, ohne ein Flüstern oder einen Schatten hinter sich zurückzulassen.
      Ich ging nach vorn und befahl, die Kette kurzstag zu hieven, damit wir den Anker, wenn nötig, sogleich aus dem Grund reißen und losfahren könnten. ›Ob sie wohl angreifen?‹ flüsterte eine scheue Stimme. ›Wir werden in diesem Nebel alle niedergemetzelt werden‹, flüsterte eine andere. Die Gesichter zuckten vor Anspannung, die Hände zitterten ein wenig, die Augen vergaßen das Zwinkern. Es war sehr merkwürdig, den Gegensatz im Ausdruck der weißen Männer und der schwarzen Burschen unserer Besatzung zu beobachten, die in diesem Abschnitt des Flusses nicht minder Fremde waren als wir, obwohl ihre Heimat nur achthundert Meilen entfernt lag. Die Weißen, die freilich sehr beunruhigt waren, trugen gleichwohl eine sonderbar schmerzliche Miene zur Schau, als seien sie schockiert über solch haarsträubenden Lärm. Die anderen dagegen hatten einen alarmbereiten, auf eine natürliche Weise interessierten Ausdruck; doch waren ihre Gesichter im Grunde gelassen, sogar die grinsenden Gesichter der beiden Leute, die die Ankerkette hievten. Andere wechselten kurze, gegrunzte Sätze, die die Sache zu ihrer Befriedigung zu erledigen schienen. Ihr Häuptling, ein junger Schwarzer mit breiter Brust, ernst in dunkelblaue Fransentücher gehüllt, die Nüstern wild gebläht und das Haar kunstvoll in öligen Ringellocken frisiert, stand neben mir. ›Aha!‹ sagte ich, nur der guten Kameradschaft wegen. ›Fang ihn‹, stieß er hervor, während sich seine blutunterlaufenen Augen weiteten und die scharfen Zähne blitzten – ›fang ihn. Gib ihn uns.‹
      ›Dir?‹ fragte ich; ›was willst du mit ihm anfangen?‹
      ›Aufessen!‹ sagte er schroff und blickte, die Ellbogen auf die Reling gestützt, mit hoheitsvoller und tief nachdenklicher Miene in den Nebel hinaus. Ich wäre zweifellos ehrlich entsetzt gewesen, wäre mir nicht eingefallen, daß er und seine Gesellen sehr hungrig sein mußten: daß sie seit mindestens einem Monat an einem immer stärker werdenden Hunger leiden mußten. Sie waren für sechs Monate verpflichtet worden (ich glaube nicht, daß auch nur ein einziger von ihnen einen klaren Zeitbegriff hatte, so wie wir ihn uns nach unzähligen Jahrhunderten gebildet haben. Sie gehörten noch immer zu der Zeiten Anfang – verfügten über keine ererbte Erfahrung, aus der sie hätten lernen können), und natürlich kam es, solange man sich auf einen Fetzen Papier berufen konnte, der in Übereinstimmung mit dem einen oder anderen lächerlichen, weiter unten am Fluß erlassenen Gesetz ausgefertigt worden war, niemandem in den Sinn, sich darum zu kümmern, wovon sie leben sollten. Gewiß hatten sie ein Quantum fauliges Flußpferdfleisch mitgebracht, das in keinem Fall sehr lange vorgehalten hätte, auch wenn es die Pilger nicht mit schrecklichem Klamauk zu einem großen Teil über Bord geworfen hätten.
      Dies mochte wie ein Willkürakt aussehen, aber in Wirklichkeit war es nur ein Fall ehrlicher Selbstverteidigung gewesen. Man

Weitere Kostenlose Bücher