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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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jenem wilden Tumult, der auf dem Flußufer hinter der undurchdringlichen Weiße des Nebels an uns vorübergefegt war.
      Zwei Pilger stritten sich in erregtem Geflüster darüber, welches Ufer es gewesen sei. ›Links.‹
      ›Nein, nein; wo denken Sie hin? Rechts, rechts, natürlich.‹
      ›Es ist sehr ernst‹, sagte hinter mir die Stimme des Direktors; ›ich wäre untröstlich, wenn Herrn Kurtz etwas zustoßen sollte, ehe wir angelangt sind.‹ Ich sah ihn an und hatte nicht den leisesten Zweifel darüber, daß er es ehrlich meinte. Er zählte zu denen, die bemüht sind, den Schein zu wahren. Das war seine Hemmung. Doch als er dann etwas murmelte wie: man müsse unverzüglich weiterfahren, machte ich mir nicht einmal die Mühe, ihm zu antworten. Ich wußte, und auch er wußte, daß dies unmöglich war. Ohne unseren festen Halt am Grund des Flusses hätten wir vollkommen in der Luft geschwebt – im Raum. Wir wären nicht in der Lage gewesen zu sagen, wohin wir fuhren – ob stromauf- oder stromabwärts –, bis wir an das eine oder andere Ufer gestoßen wären – und auch dann hätten wir zunächst nicht gewußt, welches von beiden es sei. Natürlich rührte ich mich nicht von der Stelle. Mir lag nichts an einer Havarie. Man hätte sich keinen tödlicheren Ort für einen Schiffbruch denken können. Ob wir nun gleich ertrunken wären oder nicht, wir wären doch auf die eine oder andere Art sehr schnell ums Leben gekommen, ›Ich ermächtige Sie, jedes Risiko einzugehen‹, sagte er nach kurzem Schweigen, ›Ich weigere mich, eines einzugehen‹, erwiderte ich kurzerhand, was genau die Antwort war, die er erwartet hatte, wenn ihn auch ihr Ton überrascht haben mochte. ›Nun, ich muß mich Ihrem Urteil fügen. Sie sind der Kapitän‹, sagte er mit betonter Höflichkeit. Ich kehrte ihm den Rücken zum Zeichen meiner besonderen Hochachtung und spähte in den Nebel. Wie lange würde er noch anhalten? Es war der hoffnungsloseste Ausguck, den man sich denken kann.
      Der Weg zu diesem Kurtz, der da den elenden Busch nach Elfenbein durchstöberte, war von ebensovielen Gefahren umwittert, wie wenn er eine verzauberte Prinzessin gewesen wäre, die in einem sagenhaften Schloß schlief. ›Meinen Sie, die Kerle greifen an?‹ fragte der Direktor in vertraulichem Ton.
      Ich glaubte nicht, daß sie angreifen würden, aus verschiedenen naheliegenden Gründen. Der dichte Nebel war ein Grund. Wenn sie in ihren Kanus vom Ufer abstießen, wären sie ebenso darin verloren gewesen wie wir, hätten wir uns fortzubewegen versucht. Indessen, auch den Dschungel auf beiden Ufern hatte ich für undurchdringlich gehalten – und doch waren Augen darinnen, Augen, die uns erspäht hatten. Das Ufergebüsch war freilich sehr dicht; doch ließ sich das Unterholz dahinter offensichtlich durchdringen. Dennoch hatte ich während der kurzen Aufklarung nirgends im Fluß Kanus bemerkt – bestimmt nicht in Höhe des Dampfers. Doch was mich einen Angriff für völlig ausgeschlossen halten ließ, das war der Charakter des Lärms gewesen – der Schreie, die wir gehört hatten. Sie hatten nicht jene Grimmigkeit besessen, welche unmittelbare feindselige Absichten anzukündigen pflegt. So unerwartet, wild und ungestüm sie auch gewesen waren, hatten sie bei mir doch den unwiderstehlichen Eindruck des Kummers hinterlassen. Der Anblick des Dampfers hatte diese Wilden aus irgendeinem Grund mit schrankenlosem Schmerz erfüllt. Gefahr, so erläuterte ich, könne uns, wenn überhaupt, nur aus der Nähe erwachsen, in der wir uns zu dieser losgelassenen menschlichen Leidenschaft befanden. Auch äußerster Schmerz vermöge sich schließlich in Gewalttätigkeit zu entladen – doch im allgemeinen flüchte er sich in einen Zustand der Gefühllosigkeit … Ihr hättet sehen sollen, wie mich die Pilger anstarrten! Sie hatten nicht den Mut, zu lächeln oder mich zu verhöhnen: doch ich glaube, sie dachten, ich sei verrückt geworden – möglicherweise aus Furcht. Ich hielt ihnen einen regelrechten Vortrag. Es hatte ja keinen Sinn, sich aufzuregen. Auf dem Ausguck bleiben? Nun, ihr könnt euch vorstellen, daß ich den Nebel wie ein Luchs nach allen Zeichen einer Aufklarung absuchte; doch zu etwas anderem taugten unsere Augen ebensowenig, wie wenn wir kilometertief in einem Watteberg gesteckt hätten. Ich fühlte mich auch dementsprechend – dem Ersticken nahe, warm, beklommen. Übrigens entsprach alles, was ich sagte – wenn es auch abwegig klang –

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