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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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auf ihn nicht ausbleibt. Das Faszinierende des Greulichen, wißt ihr, – denkt nur an die wachsende Reue, an die Sehnsucht, von hier fortzukommen, den ohnmächtigen Abscheu, das Ausgeliefertsein, den Haß.«
      Er hielt inne.
      »Wohlgemerkt«, begann er abermals und hob, die Handfläche nach außen gekehrt, den einen Unterarm, so daß er, mit seinen gekreuzten Beinen, nun die Haltung eines Buddhas hatte, der in europäischem Gewand und ohne Lotosblume predigt – »wohlgemerkt, keiner von uns hätte genau dieses Gefühl gehabt. Was uns rettet, ist der Nutzeffekt – die Vergötterung des Nutzeffekts. Aber diese Burschen taugten im Grunde nicht viel.
      Sie waren keine Kolonisten; ihr Verwalten war lediglich ein Aussaugen und sonst nichts, fürchte ich. Sie waren Eroberer, und dazu bedarf es nichts als roher Gewalt – nichts, dessen man sich rühmen dürfte, da die eigene Stärke bloß ein Akzidens ist, das aus der Schwäche der anderen resultiert. Sie rissen an sich, was sie konnten, nur darauf bedacht, sich nichts entgehen zu lassen. Es war schlicht Raub unter Gewaltanwendung, Mord unter erschwerenden Umständen in großem Stil; blind machten sie sich ans Werk – wie es sich für jene ziemt, die sich mit einer Finsternis einlassen. Die Eroberung der Welt, die im wesentlichen darauf hinausläuft, daß man sie denen fortnimmt, die eine andere Hautfarbe oder etwas plattere Nasen als wir haben, ist, genau besehen, nichts Erfreuliches. Was mit ihr versöhnt, ist die Idee allein. Eine Idee steht fraglos hinter ihr; kein sentimentaler Anspruch, sondern eine Idee; und ein selbstloser Glaube an die Idee – etwas, das man aufrichten, vor dem man sich verneigen, dem man Opfer bringen kann …«
      Er unterbrach sich. Flammen glitten über den Fluß, kleine grüne Flammen, rote Flammen, weiße Flammen, die einander verfolgten, überholten, sich miteinander verbanden, kreuzten – sich dann langsam oder hastig voneinander lösten. Der Verkehr der großen Stadt setzte sich in der dunkler werdenden Nacht auf dem schlaflosen Fluß fort. Wir schauten zu, warteten geduldig – es gab bis zum Ende der Flut nichts sonst zu tun.
      Als er dann aber nach langem Schweigen zögernd sagte: »Ihr entsinnt euch doch, daß ich einmal eine Weile Flußschiffer war«, wußten wir, daß es uns beschieden sein würde, bis die Ebbe einsetzte, einem von Marlows unwahrscheinlichen Erlebnisberichten zuzuhören.
      »Ich möchte euch nicht übermäßig mit dem langweilen, was mir persönlich zustieß«, begann er und bewies hiermit die Schwäche so vieler Geschichtenerzähler, die nicht zu wissen scheinen, worauf ihre Zuhörer am meisten erpicht sind, »doch um die Wirkung, die das Ganze auf mich hatte, zu verstehen, müßt ihr wenigstens wissen, wie ich dort hinauskam, was ich dort sah, wie ich jenen Fluß hinauffuhr zu dem Ort, an dem ich dem armen Kerl zum erstenmal begegnete. Es war der äußerste Punkt der Schiffahrt und der Gipfelpunkt meines Erlebnisses. Es schien so etwas wie ein Licht auf alles um mich her – und auch in meine Gedanken – zu werfen. Noch dazu war es recht düster, das Erlebnis – recht traurig – in keiner Weise außerordentlich – nicht einmal sehr deutlich. Nein, nicht sehr deutlich. Und doch schien ein Licht von ihm auszugehen.
      Ich war damals, wie ihr euch erinnern werdet, gerade nach London zurückgekehrt. Ich hatte den Indischen Ozean, den Pazifik, die China-See ausgiebig kennengelernt – eine gehörige Portion des Ostens – ungefähr sechs Jahre lang, und nun lungerte ich umher, störte euch bei der Arbeit, suchte euch in euren Wohnungen heim, gerade so, als hätte ich den himmlischen Auftrag erhalten, euch die Zivilisation zu bringen. Das war eine Zeitlang ganz schön, doch es dauerte nicht lange, und ich wurde des Ausruhens überdrüssig. So begann ich, mich nach einem Schiff umzusehen – das härteste Geschäft von der Welt, möchte ich meinen. Doch die Schiffe wollten mich nicht ansehen. Und so wurde ich auch dieses Spieles überdrüssig.
      Nun, als kleiner Junge hatte ich eine große Passion für Landkarten gehabt. Stundenlang konnte ich Südamerika oder Afrika oder Australien betrachten und mich in die Herrlichkeiten des Entdeckerlebens verlieren. Zu jener Zeit gab es noch viele weiße Flecken auf der Erde, und wenn ich auf der Landkarte einen erblickte, der besonders einladend aussah (doch das tun sie schließlich alle), pflegte ich mit dem Finger darauf zu weisen und zu sagen:

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