Untitled
durchstöbern. Er hatte sich geschworen, dass er das nicht tun wollte.
Oder sich zumindest nicht erwischen lassen wollte.
Und die Möglichkeit, dass ihn jemand bei seiner u n erlaubten Durchsuchung störte, war geringer, wenn alle im Lager schliefen.
Außerdem hatte es den Anschein, als ob alles, was von Interesse sein könnte, sicher verschlossen in einer der größeren Truhen lag.
Solche Schlösser konnte jeder Anfänger in Sekunde n schnelle knacken.
Schnell zog er den Reißverschluss seiner Tasche auf, legte seine Kleider in die eine leere Truhe und schloss ab.
Seine richtigen Wertsachen würde er anderswo au f bewahren. Nicht, dass es viel war. Die Dosen mit dem »Silver Fox«-Haarfärbespray – unersetzlich hier draußen im Niemandsland – wanderte zwischen die Zeltspitze und die abgehängte Tücherdecke. Er band sie an den Zeltmasten, damit man sie weder von außen noch von innen sehen konnte. Seinen Pass sowie die Überreste seiner Barschaft behielt er bei sich.
Er ging zur Tür hinaus und hatte bereits mehrere Schritte in Richtung Küchenzelt gemacht, als es ihm plötzlich einfiel und er hastig zurück ins Zelt stürzte. Herrgott! Was für eine G e dankenlosigkeit, was für ein bescheuerter Fehler! Was, zum Teufel, war los mit ihm, jetzt, wo er schon so weit gekommen war?
Aber niemand hatte ihn bemerkt. Gott sei Dank. Mit immer noch klopfendem Herzen griff er nach dem Gehstock und hinkte mit schweren Schritten zur Tür hinaus.
3
Dulles International Airport
20. Juni 2005
Gegenwart
Jules brachte Max zum Flughafen.
Im Autoradio lief eine überraschend lebhafte Diskussion über Alternativen zu fossilen Brennstoffen. Das und die Scheibenwischer, die in regelmäßigem Takt den frühaben d lichen Regen von der Windschutzscheibe fegten, sorgten dafür, dass sie nicht mehr als unbedingt notwendig mi t einander reden mussten.
Doch jetzt räusperte sich Max. »Hast du das Hotel in Hamburg angerufen?«
Jules drehte das Radio leiser. »Das, in dem Gina …«
»Ja.«
Gewohnt hat. »Ja. Sie haben das Zimmer nicht angerührt«, berichtete Jules. »Solange du bereit bist, den Ausfall zu b e zahlen …«
»Das habe ich doch gesagt.«
»Ja, Sir, ich habe es weitergeleitet. Der Hotelmanager meinte, er würde ein Bitte-nicht-stören-Schild an die Tür hängen«, sagte Jules. »Das Zimmer bleibt genau so, wie sie es verlassen hat.«
Max nickte grimmig. »Gut.« Dann drehte er das Radio wieder lauter.
Jules musste es wieder leiser stellen. »Ihr Zimmer ist nicht der Tatort«, erinnerte er seinen Chef vorsichtig. »Sie ist nicht …«
Max schnitt ihm das Wort ab. »Ich weiß«, sagte er, aber Jules hatte immer noch Zweifel.
»Es war ein Zufall«, rief er Max ins Gedächtnis. »Ginas Tod. Er hatte nichts mit dir zu tun. Du kannst dir doch nicht die Schuld dafür geben, dass sie zur falschen Zeit am falschen Ort war.«
Max beugte sich vor und drehte das Radio wieder lauter. »Fahr einfach«, befahl er.
Also fuhr Jules weiter, während Teri Gross Willie Nelson – ausgerechnet Willie Nelson – zum Thema Brennstof f gewinnung aus Pflanzenöl interviewte.
Er warf erneut einen Blick auf Max.
Seine Reisetasche war nicht viel größer als eine geräumige Aktentasche. Jules wertete das als gutes Zeichen. Sein Boss würde in Hamburg landen, Gina identifizieren, die Sachen aus ihrem Hotel zusammenpacken und dann mit ihrer Leiche – oh Gott – schnellstmöglich den Heimflug antreten.
Ginas Bruder Victor wollte sie dann auf dem Flughafen in New York abholen. Jules sollte ihn anrufen, sobald er wusste, wann sie ankamen. Er hatte heute schon mehrfach mit Vic telefoniert, um der Familie Vitagliano mitzuteilen, dass Max Gina nach Hause holen würde.
Der typische New Yorker, der sich normalerweise einer schroffen und rüden Ausdrucksweise bediente, hatte sich auf solch bescheidene Art und Weise bedankt, dass es Jules be i nahe das Herz gebrochen hätte. Vic hatte gesagt, dass Max’ Großzügigkeit ihm und seinen Brüdern erlaube, in dieser Zeit der Trauer ihren Eltern zur Seite zu stehen.
Sie hatten es verdient, dass Ginas Leiche so schnell wie möglich heimgeholt wurde.
Jules warf Max noch einen Seitenblick zu. Wenn er erns t haft auf Terroristenj agd gehen wollte, dann hätte er doch b e stimmt nicht so wenig Gepäck mitgenommen.
Trotzdem hätte Jules niemals gewagt, über den genauen Inhalt von Max’ Tasche zu spekulieren. Für eine Bazooka oder eine abgesägte Schrotflinte war sie zu klein. Aber
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