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abgeschaut", erwiderte er veschmitzt und zwinkerte ihr zu. „Außerdem erinnert es mich an meine Jugendzeit. Aber leider ist in der heutigen Zeit so vieles verlorengegangen, was für uns noch eine Selbstverständlichkeit war! Stimmt es nicht, meine Damen? Gewisse Traditionen sind es eben wert, gepflegt zu werden!" Würdevoll nahm er wieder Platz.
„Wie charmant", säuselte Sidonie, einen Keks probierend.
Nach und nach füllte sich der kleine gemütliche Salon; die Luft wurde zusehends schlechter, geschwängert durch die verschiede nen Duftnoten der zumeist sehr süßen Parfüms. Dem Geistlichen standen dicke Schweißperlen auf der Stirn. Die sonst so geliebte Buttercremetorte mochte ihm in dem Gedränge so gar nicht munden. Auch der Doktor hatte seine Schwierigkeiten.
Jede der netten Kaffeeklatschdamen wollte ihm zuerst und ganz ausführlich von ihren intimsten Leiden berichten. „Wann hat man schon mal Gelegenheit, auf so private Art und Weise einen Arzt zu konsultieren", flötete Eulalia und erging sich ergiebig in ihren chronischen Verdauungsschwierigkeiten. Dabei häufte sie wieder und wieder mächtige Tortenstücke auf ihren zierlichen Teller aus Meißener Porzellan.
Auch die herzhaften Lachsbrötchen verschmähte sie keineswegs. Der gutmütige Doktor fügte sich in geduldiges Zuhören, hier und da weise nickend oder ein unterstreichendes „Mmh, mmh" hinzufügend.
Mehr oder weniger ereignislos zog sich der Nachmittag dahin. Schon bedauerten die beiden Herren ihren Entschluß, bis zum bitteren Ende auszuharren, als, für alle Beteiligten unerwartet, Clothilde urplötzlich darauf bestand, den Keller nach alter Gewohnheit zu inspizieren, um die eingeweckten Köstlichkeiten zu überprüfen. Schließlich führte sie seit Jahren einen ehrgeizigen Wettstreit gegen Madame Vanille, wer die größere Anzahl von Weckgläsern füllen konnte. Bisher jedoch hatte Clothilde immer noch das Nachsehen gehabt.
Das beherzte Eingreifen Hochwürdens verhinderte jedoch die drohende Katastrophe. Die für eine perfekte Hausfrau so trostlose Bemerkung „Im Keller wimmelt es geradezu von Ungeziefer!" und die nachdrückliche Bestätigung seitens des Doktors, daß der Kammerjäger bereits verständigt sei, ließ die Damenschar in ihrem Forscherdrang abrupt innehalten. Fluchtartig drängten sie zum Ausgang. An der Tür verharrte Sidonie für einen Moment und sagte mit einem triumphierenden Lächeln: „Weißt du, liebste Freundin, was schlimmer ist als ein zu jugendlich ausgefallenes Hutmodell? Ungeziefer im Keller!"
Rasch zog sie die Tür hinter sich zu.
„Gott sei Dank! Das wäre überstanden!"
Hochwürden fuhr sich mit einem großen Taschentuch über die Stirn. Er war erleichtert.
„Für Sie schon, Herr Pfarrer! Aber für mich dürfte Ihr unbedachtes Verhalten noch Folgen haben!" jammerte die alte Dame verzweifelt.
„Na, na", versuchte der Arzt zu trösten. „Wir werden schon eine Lösung finden, damit Ihre Freundinnen wiederkommen!"
Ein Poltern ließ sie hochschrecken. Das Geräusch kam aus dem Keller. „Unser heimlicher Gast macht sich bemerkbar! Welch ein Glück, keine Minute zu früh, wie zuvorkommend!" Hochwürden war schon an der Tür. Der Doktor und die alte Dame folgten ihm auf den Fersen.
Als sie den Keller erreicht hatten, bot sich den dreien ein tragisch-komisches Bild: Der verdutzte Vampir hockte auf dem Fußboden neben seinem Lager.
„Ooh, Sie Ärmster", flüsterte Madame besorgt und ging auf ihn zu. „Sind Sie aus dem Bett gefallen? Haben Sie schlecht geträumt?" So bestürmte sie ihren Gast. Die Gastgeberin erging sich in eitel Besorgnis und Liebe für den blassen Mann.
„Wissen Sie, mein lieber Herr von Grauenstein, was ich soeben dachte?" Dabei strahlte sie ihn an und half ihm wieder auf sein Lager, um es ihm so bequem wie möglich zu machen. Sie kicherte. „Ich dachte an den jungen Edlen von Grauenstein! Dabei haben Sie uns bei weitem überrundet, was das Alter betrifft! Das ist aber auch eine zu komische Vorstellung!"
Von Grauenstein zeigte jedoch kein Verständnis für solcherlei Späße. Eine seltsame Unruhe hatte sich seiner bemächtigt. Nachdem er sich gerade wieder bequem zurückgelehnt hatte, sprang er erneut auf und lief im Kellerraum hin und her wie ein gehetztes Tier. Er schien seine Umgebung gar nicht mehr wahrzunehmen. Die drei hatten das Gefühl, er sei sehr, sehr weit entfernt. Auch fiel es ihm sichtlich schwer, seine
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