Untitled
frustrierten Beschwerden anhören!" Die Gräfin war sichtlich erzürnt.
„Ooooh", hauchte unsere Freundin und versank sogleich in eine tiefe, von ihr so wirkungsvoll eingesetzten Ohnmacht.
„Was hat sie nur", fragte Ihre Scheußlichkeit erstaunt und schaute den Arzt, der sich sogleich um die Patientin bemühte, fassungslos an.
Hochwürden fühlte sich verpflichtet, die Gräfin davon in Kenntnis zu setzen, daß der liebe Louis Arthur sich ausgerechnet die kleine Dame zum Erschrecken ausgesucht hatte.
„Ja, ja! Der gute Louis Arthur! Er hatte schon immer einen ausgezeichneten Geschmack", antwortete sie neidisch und warf einen bösen Blick auf Madame.
„Flieger", schrillte unvermittelt ihre Stimme durch den Raum. „Flieger! Bring sofort das Riechsalz. Wir haben ein zartes Seelchen zu Gast!"
Lautlos, wie vorhin im Hof, stand der blinde Butler kurz darauf neben Madame und half dem Doktor, sie behutsam in die Wirklichkeit zurückzuholen.
In der Zwischenzeit hatte Hochwürden in einem kleinen Sessel der schlampigen Gräfin gegenüber Platz genommen.
„Sagen Sie, Eure Scheußlichkeit, der Name „Flieger" erscheint mir seltsam. Darf ich Sie um nähere Aufklärung bitten", brachte der Geistliche umständlich hervor. Er hatte noch nie mit Adligen zu tun gehabt und somit befleißigte er sich einer etwas geschraubten Redeweise.
„Ach ja, unser Flieger", seufzte die Gräfin in einem Tonfall, der nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Geistern immer dann zum Tragen kommt, wenn man über eine absolute Vertrauensperson spricht. „Ja, ja, der Flieger", wiederholte sie. „Wir nennen ihn deshalb so, weil einer seiner Großväter eine Fledermaus war. Daher sein kolossaler Orientierungssinn. Sie werden nie erleben, daß er gegen eine Ecke läuft oder irgend etwas umstößt, obwohl er blind ist wie ein Maulwurf in der Mittagssonne. Er hat einen Gang, als berühre er kaum den Boden mit seinen mächtigen Füßen." Sie sprach bewundernd und fügte hinzu: „Ein wahrer Teufelskerl!"
Hochwürden konnte ob so vieler Fähigkeiten nur noch angetan nicken. „Wir dagegen hatten alle erdenkliche Mühe, ohne größere Blessuren durch die unzähligen Flure zu gelangen. Ich möchte nicht wissen, wieviel blaue Flecken ich morgen zu zählen habe", jammerte der Geistliche und rieb sich sein lädiertes Schienbein.
„Aber Hochwürden! Wir wollen doch nicht jetzt schon von morgen sprechen. Lassen Sie uns diese Nacht genießen! Ich möchte Sie so gerne meinen Verwandten vorstellen. Hoffentlich erholt sich Ihre Begleiterin bald wieder, ansonsten müßten wir sie hier auf das Sofa betten und ...!"
Ein ängstlicher Piepser unterbrach die Überlegung der Gräfin. „Nein! Bitte nicht hier allein lassen. Mir geht es schon wieder ausgezeichnet!" Madame klammerte sich ängstlich an den Arzt. „Verlassen Sie mich nicht, lieber Freund!"
„Schon gut, Teuerste! Ich bleibe ja bei Ihnen! Egal, was geschieht", erwiderte der Doktor und lächelte. Erleichtert ließ sie sich von ihm und Flieger auf die noch etwas wackeligen Beine helfen.
„Dann ist ja alles wieder in bester Ordnung", freute sich Ihre Scheußlichkeit. „Bitte, Flieger, führen Sie die Gäste in die Bibliothek. Sie können den Aperitif servieren. Ich will mich zum Dinner noch rasch umkleiden!"
Kaum gesagt, war sie auf der Stelle verschwunden.
„Zaubern kann sie auch", staunte der Geistliche.
„Ihre Scheußlichkeit kann vieles. Die Zauberei erlernte sie von ihrer Urgroßmutter mütterlicherseits. Leider ist sie inzwischen schon etwas verkalkt und beherrscht daher die Formeln nicht mehr ganz so sicher, deshalb kommt bei ihrer Zauberei des öfteren etwas vollkommen anderes heraus. Letzthin wollte sie ihrem Cousin Louis Arthur Eselsohren an den Kopf zaubern, doch ..." Er brach in schallendes Gelächter aus.
„Doch was?" fragte der Doktor neugierig.
„Entschuldigen Sie", hüstelte der Flieger und schluckte verlegen. „Das sind Familiengeheimnisse! Es würde mir schlecht bekommen, wenn ich sie ausplauderte!"
Eifrig öffnete er eine Tür und geleitete die drei in die Bibliothek, einen sehr gemütlichen Raum, sah man von den beiden Gestalten ab, die an dem großen Mahagonitisch saßen und sich angeregt unterhielten.
„Aha! Die Verwandtschaft aus dem Osten ist auch schon eingetroffen", stellte der Butler mit Genugtuung fest. Auch sein Gehör schien unübertroffen gut ausgebildet.
„Darf ich
Weitere Kostenlose Bücher