Untitled
besonders wichtig, daß ich eingeweiht werde! Also bitte, meine Herren! Ich bin ganz Ohr." Bequem lehnte sie sich auf dem Kanapee zurück und sah die beiden Herren herausfordernd an.
„Hochwürden, wollen Sie vielleicht ...?" bat der Arzt.
„Ach nein, lieber Doktor! Sie können das sicher besser ...!" stotterte der Geistliche.
„Wollen Sie sich vielleicht endlich einig werden, meine Herren? Kraft Ihrer Berufe dürften Sie doch beide gleich geübt sein im Überbringen unangenehmer Botschaften, nicht wahr?"
Nun gab es kein Hinauszögern mehr.
Abwechselnd berichteten sie, was für Hirngespinste sich die Schwester des Doktors zurechtgelegt hatte.
Madame war während der „Berichterstattung" immer mehr auf die Kante des Sofas gerutscht, um Wort für Wort genauestens aufnehmen zu können. Reizend sah sie aus, so ganz in Grau. Der lange Taftrock und die Spitzenbluse standen ihr ausgezeichnet. Die überlange Perlenkette mit der kostbaren Brillantschließe unterstrich die dezente Eleganz und verlieh ihr ein geradezu aristokratisches Aussehen.
Hochwürden und der Doktor hofften von ganzem Herzen, Madame nicht zu sehr mit ihrem schonungslosen Bericht geschockt zu haben. Die alte Dame lehnte sich entspannt in das Polster zurück, griff mit Daumen und Mittelfinger der rechten Hand nach der Perlenkette und schwenkte sie gedankenverloren hin und her. Eine Ewigkeit schien zu vergehen!
„Und Sie sind überzeugt, meine Herren, daß man mir so etwas zutraut?" Madame hatte glänzende Augen. Abwartend schaute sie von einem zum anderen.
„Äh ..., na ja", meinte der Arzt, „vielleicht ...!" Er brach ab und fixierte verlegen den Fußboden.
„Ja oder nein, meine Herren? Ich habe präzise gefragt und erwarte eine präzise Antwort!"
„Warum sollte man Ihnen so etwas nicht zutrauen, liebste Freundin", antwortete der Arzt, der sich wieder gefangen hatte. „So, wie Sie heute abend aussehen, übrigens mein Kompliment, wäre es direkt eine Beleidigung, Ihnen eine ,affaire d'amour' absprechen zu wollen!" Hochwürden unterstrich dieses Kompliment mit einem nachdrücklichen Kopfnicken.
„Wunderbar", rief die alte Dame aus. „Jetzt hat Eulalia mir nichts mehr voraus. Die mit ihrer galanten Vergangenheit! Wie oft prahlt sie bei unserem Kränzchen damit. Aber, wenn man einer Frau in meinem Alter so etwas nachsagt, dann darf ich das doch wohl als Kompliment werten, nicht wahr?" Zum Doktor gewandt, fügte sie verschmitzt hinzu: „Lieber Freund, bitte tun Sie mir den Gefallen und spielen Sie mit. Es wäre für mich nach dem verkorksten Kränzchen meinen Freundinnen gegenüber eine große Genugtuung." Energisch stand sie auf. „Kommen Sie, meine Herren! Es wird Zeit, an den Aufbruch zu denken. Bei der ersten Einladung sollte man niemals zu spät kommen!"
Sie setzte ihren zierlichen schwarzen Schleierhut auf und ging mit kleinen Schritten zur Tür. Vom Tischchen in der Diele nahm sie noch ihren silberdurchwirkten Pompadour und betrat dann, von den beiden Herren eingerahmt, die Straße. Ihre aufrechte Haltung drückte das stolze Bewußtsein über einen soeben errungenen Sieg aus. Sie fühlte sich großartig.
IX.
Die Autofahrt verlief ohne Zwischenfälle. Alle schwiegen und schienen in Gedanken versunken; nur dem Pfarrer war eine gewisse Nervosität anzumerken.
„Ich meine, daß wir uns allmählich dem Ort des Grauens nähern, und ich gebe zu, daß ich Angst vor der eigenen Courage verspüre. Wenn ich doch nur mein Kreuz tragen könnte!" Auf seiner Stirn bildeten sich tiefe Sorgenfalten.
Madame kramte in ihrem Pompadour, fand rasch das, was sie suchte, und drückte es verstohlen dem Geistlichen in die Hand.
„Danke, Verehrteste, danke", sagte dieser erleichtert und steckte die Knoblauchknolle in die Tasche seiner Soutane. „Ich dachte ja auch schon daran, dieses Hilfsmittel einzustecken. Aber es erschien mir als Tausch gegen mein Zeichen der priesterlichen Würde wahrlich nicht angemessen genug. Doch jetzt kommt es mir geradezu vor wie ein Geschenk des Himmels!"
Dem Doktor war diese Transaktion gar nicht recht. Knoblauch konnte er nun einmal nicht vertragen. Er stank barbarisch, außerdem wurde er seit Menschengedenken als wohlbewährtes Hausmittel angewandt, was seine Aversion noch mehr steigerte. Ihm war es unbegreiflich, daß seine Patienten lieber das stinkende Zeug zu sich nahmen als jene bunten, zuckerglasierten Pillen, die er ihnen so gerne
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