Untitled
Bühneninfektion befallen worden sei.
«Das», antwortete Mrs. Harwell, während sie ihren Wohnungsschlüssel aus dem Türschloß zog, «ist zwar hübsch gesagt, aber dumm. Wo wir schon hier sind, kannst du auch noch auf einen Tee mit hereinkommen.»
Kaum hatte Mr. Amery nun begeisterte Zustimmung kundgetan und war ihr nach ins Wohnzimmer getappt, wurden sie von einem kleinen, ältlichen Mann begrüßt, der sich aus einem Lehnstuhl am Kamin erhob und dabei hastig ein Whiskyglas zur Seite stellte.
«Rosamund! Mein liebes Kind …»
«Oh, Vater, du bist schon hier», erwiderte Rosamund und nahm seine Umarmung mit erhabener Teilnahmslosigkeit entgegen. «Es tut mir leid, daß ich mich verspätet habe. Ich hoffe, man hat sich um dich gekümmert. Du kennst doch Mr. Amery?»
«Ja, selbstverständlich», antwortete Mr. Warren. «Guten Tag. Meine Liebe, das alles ist ja so schrecklich traurig. Ich hoffe, ich bin dir nicht im Wege, aber ich hatte das Gefühl, wir müßten beieinander sein. In solchen Zeiten fühlt man den Ruf Londons. Und mein Platz ist schließlich immer noch hier. Ich konnte einfach nicht in Beachington bleiben, eine sehr nette kleine Stadt, sicher, aber doch völlig ab vom Pulsschlag unseres Landes.»
«Aber Vater», sagte Rosamund und betätigte hastig die Klingel, «natürlich freue ich mich, dich zu sehen, und Laurence fühlt genauso. Claude, komm und setz dich.»
«Sicherlich», fuhr Mr. Warren mit leicht erschütterter Würde fort, «ist Ihnen bekannt, Mr. Amery, daß ich vor nicht allzu langer Zeit unter recht unangenehmen Umständen – wie soll ich sagen? – gewissermaßen ein Gast der Regierung Seiner Majestät gewesen bin. Ich hatte den fatalen Fehler begangen, meinen Mitmenschen zu viel Vertrauen entgegenzubringen. Ich habe für diesen Fehler bezahlt, Mr. Amery, und obgleich ich mich nicht länger in meinen gewohnten Kreisen bewege, muß ich doch sagen, daß meine Freunde sehr gut zu mir waren. Meine Tochter und mein großzügiger Schwiegersohn sind immer bereit, den, sagen wir, verlorenen Vater willkommen zu heißen, und nun, da uns alle dieser schwere Verlust ereilt hat …»
«Ich bin nicht sicher, Vater, wann Laurence hier sein wird. Er ist drüben im Theater sehr beschäftigt. Ob du wohl läuten würdest und Tee für uns drei bestellst? Nein, Claude, wie absurd! Natürlich störst du nicht.»
Peter Wimsey traf seine Frau in Gesellschaft eines Buches und einer großen getigerten Katze an. Sie nahm gerade ihren Tee. Er entschuldigte sich und ließ sich mit einem leisen Seufzer der Befriedigung auf einen Stuhl sinken.
«Müde?»
«Trübselig. Warum ist dieser vorzügliche Ausdruck nur aus der Mode gekommen? Muß an den alten Herrn denken. Ich habe nicht viel getan. Lunch mit Gerald, der in einer außerordentlich gedämpften Gemütsverfassung war. Dann hoch in den Norden, wo ich fast eine Stunde lang mit Engelszungen auf die Behördenvertreter wegen der Müllabfuhr eingeredet habe.»
«Können die Mieter sich denn nicht selbst darum kümmern?»
«Die scheinen zu glauben, ich hätte irgendeinen gewichtigen persönlichen Einfluß, den ich gegenüber dem Bezirksrat geltend machen kann. Ich mußte sowieso dorthin, um mich um die Beseitigung einer furchtbaren Häuserzeile in Lilac Gardens zu kümmern. Ein altes Anlageobjekt und garstiges Relikt aus der Nachkriegszeit, als ich meine Pflichten als Grundbesitzer vernachlässigt habe. Die alten Sünden holen einen eines Tages doch wieder ein. Und eine Sekte hat vor, genau gegenüber von meinem wunderschönen neuen Pub in der Billington Road einen geradezu gotteslästerlich häßlichen Tempel zu bauen. Und dann noch dieses und jenes. Eine Mietpartei macht einen Riesenaufstand wegen ein paar lauter Nachbarn, und eine anderes Paar möchte eine andere Wohnung zugewiesen bekommen, weil der Block, in dem sie jetzt sind, angeblich unheimlich still ist.»
«Kannst du sie nicht einfach miteinander tauschen lassen?»
«Ja, diesmal zufällig schon. Wenn sie doch bloß immer in Gegensatzpaaren auftreten würden … du glaubst nicht, wie empfindlich die Leute beim Thema Lärm sind. Um vier habe ich mich wirklich wie ein ausgesetzter Hund gefühlt. Ich wollte schon auf den nächsten Bobby zulaufen und ihn anwinseln, daß er mich nach Battersea ins Tierasyl bringt, als mir schlagartig einfiel, daß ich ja ein Heim habe, wo ich hingehen kann.»
Für eine kurze Weile ließ er seinen Blick über die ruhigen georgianischen Proportionen des Raumes wandern,
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