Untitled
Warren brachte stotternd einige Worte des Dankes hervor.
«Nein, nein, Sie müssen sich nicht bedanken, alter Knabe. Konzentrieren Sie sich lieber ganz darauf, alle noch so kleinen Details aus Ihrem Gedächtnis hervorzukramen, die der Polizei von Nutzen sein könnten.»
«Meine Liebste, es tut mir so leid. Ich weiß nicht, was der alte Narr sich dabei gedacht hat, mit dieser Sache zu dir zu kommen.»
«Zu der einzigen Person in seinem Bekanntenkreis, die auch Knasterfahrung hat? Das kannst du ihm nicht verdenken.»
«Genau das hatte ich befürchtet. Wird denn nie Gras über die Sache wachsen?»
«Wir werden es niemals loswerden, Peter, glaubst du nicht? Es wird uns immer wieder einmal anspringen, und zwar unser Leben lang, fürchte ich. Wir müssen uns damit abfinden. Es ist das gleiche wie mit deiner Kriegsneurose – wir können sie die meiste Zeit vergessen, aber wenn sie herauskommt, müssen wir sehen, wie wir damit zurechtkommen.»
«Ich kann dir nicht sagen, wie froh es mich macht, daß du in einem solchen Zusammenhang von ‹wir› sprichst.»
«Es gibt jetzt keinen Singular mehr, in keinem Zusammenhang.»
Er lächelte ihr zu.
«Was kannst du für Mr. Warren tun, Peter? Glaubst du, er ist wirklich in Gefahr?»
«Eher nicht. Erpresser bringen die Kuh nicht um, die sie noch melken wollen. Insofern denke ich nicht, so finster seine Geschichte auch ist, daß sie … Mir fällt da ein bekehrter Einbrecher ein. Ich kenne einen Betbruder mit hochfliegenden Idealen, der immer einen Choral auf den Lippen hat, er ist Offizier der Heilsarmee und hat eine sehr vernünftige Frau. Er hat mir einmal geholfen, einen Safe zu knacken, als es nötig war. Er hat noch eine Menge andere reumütige Ganoven in seiner Gemeinde, darunter auch einige stattliche Muskelpakete. Erinnerst du dich an ihn, Harriet? Er war bei der Hochzeit. Mr. Bill Rumm.»
«Ja, sicher. Ich kann mich gut an ihn erinnern.»
«Ich werde Warren als Logiergast bei ihm unterbringen, sie sollen ein Auge auf ihn haben.»
«Ist es weit weg?»
«Im East End. Ein Plätzchen, so sicher wie der afrikanische Dschungel. Da fällt man nicht so auf wie auf dem Land. Das wird das Richtige für ihn sein.»
«Der unendlich findige Lord Peter.» Harriet lächelte.
«Und du bist sicher, daß sie ihm nicht das Safeknacken beibringen werden?»
«Er wäre bestimmt nicht so eine Nervensäge, wenn er einen Beruf hätte. Wo wir gerade vom Berufsleben sprechen, Harriet, er hat dich doch wahrscheinlich den ganzen Vormittag von der Arbeit abgehalten. Ich wollte dich eigentlich fragen, wie du vorankommst.»
«Nicht so gut, leider.»
«Gibt es dafür noch andere Gründe als die Überfälle von Polizisten und Verbrechern und die Launenhaftigkeit der Muse? Ich würde es hassen, schlichtweg hassen, wenn es sich für dich als Problem herausstellen könnte, weiterhin zu schreiben, nur weil du mit mir verheiratet bist. Ich sähe ungern, daß du beim Scheidungsrichter Hilfe suchst oder Trost bei der Ginflasche.»
Harriet konnte sich gerade noch rechtzeitig zurückhalten, ihm ein schmerzlinderndes «Aber nein» zu antworten. Peter hatte die Wahrheit verdient. «Ich glaube schon, daß es noch einen anderen Grund gibt. Und der hat in der Tat damit zu tun, daß ich mit dir verheiratet bin.»
Sie sah ihn bleich werden.
«Früher war die Sache ganz einfach», erklärte sie. «Ich brauchte das Geld. Aber die Form des Broterwerbs habe ich mir selbst ausgesucht. Es gab damals keinen Anlaß, die Schriftstellern in Frage zu stellen. Entweder ich schrieb, oder ich verhungerte. Aber heute …»
«Brauchst du es nicht mehr. Das zu betonen hat meine schauderhafte Verwandtschaft auf keine Anstrengung verzichtet. Aber, Harriet, ich dachte nie, du schreibst simplissime wegen des Geldes. Mein Eindruck war, daß das Geld es dir ermöglicht, weiterzuschreiben. Und daß das Schreiben an sich für dich eine Bedeutung hatte. Ich habe nie angezweifelt, daß du weitermachst.»
«Du hast eine Schriftstellerin geheiratet, und mit einer Schriftstellerin willst du auch verheiratet sein?»
«Mit dir, Harriet, was immer du auch bist. Ich dachte immer, du hast dich mit Haut und Haaren der Schriftstellerei verschrieben, lag ich da falsch?»
«Ich glaube schon, daß du da recht hast. Aber trotzdem ist es nicht mehr so einfach. Als ich das Geld noch brauchte, war das Rechtfertigung genug. Es war mein Lebensunterhalt, und ich machte meine Sache, so gut es ging, und das war alles. Das reichte auch. Jetzt
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