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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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vielleicht?
    Rosamund hatte die Schlagzeilen nicht lange für sich allein gehabt, dachte sie bitter. Sie verstaute das Blatt in ihrer Tasche, um es später genauer in Augenschein zu nehmen: Sie war auf dem Weg zu ihrer letzten Sitzung bei Gaston Chapparelle.

    «Nun, Madame, ich sehe, es gibt quelque chose d'éclatant », stellte er fest, nachdem sie sich für ihn in Pose gestellt hatte. Die Haltung war nicht schwierig: Sie sollte einfach dastehen, mit einem aufgeschlagenen Buch in den Händen, und zu ihm hinsehen. Die Leinwand, an der er arbeitete, war schräg zu ihr aufgestellt, so daß sie das Werk nicht sehen konnte. «Was ist passiert? Doch nicht etwa eine Revolution in der Kanalisation, hoffe ich?»
    «Nein, das Thema dieser Woche ist Verwesung», erklärte Harriet schelmisch.
    «Und dem können Sie sich nicht mit derselben kontemplativen Gelassenheit nähern, die das Sujet der Kanalisation bei Ihnen weckte?» fragte der Maler ungläubig. «Ich sage es noch einmal, Madame, irgend etwas ist geschehen.»
    «Peter ist verreist», gab Harriet zu. «Ist es das, was Ihre Luchsaugen erspäht haben?»
    «Aber Sie vertrauen ihm, non ? Sie erwarten ihn zurück, wie den treuen Aucassin?»
    «Ja, sicher», sagte Harriet. «Das tue ich.»
    «Dann belieben Sie bitte, Ihre Gedanken seiner Rückkehr zuzuwenden. Ça doit donner un beau regard .»
    Harriet schwieg. Es wäre einfacher, ihre Gedanken seiner Rückkehr zuzuwenden, wenn sie wüßte, wo er sich befand und wann sie ihn zurückerwarten konnte. Irgendwie hatte sie doch erwartet, daß die Ehe Ruhe in das Auf und Ab der Gefühle der Verliebten bringen würde. Dabei hätte sie wissen müssen, wie empfindlich sie reagieren würde. Hatte sie nicht selbst einmal zu Miss de Vine gesagt, sie würde wie Stroh in Flammen stehen, sobald sie Peter nachgeben würde? Ja, und hier war sie nun, unter dem schonungslosen Blick Chapparelles fröhlich vor sich hin lodernd und ohne sich sonderlich sicher zu sein, ob sie ihn eigentlich leiden konnte. Daß er sie so durchschaute, gab ihr auf jeden Fall das erniedrigende Gefühl, leicht durchschaubar zu sein. Was aber war es, das er sah?
    Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Chaos, das sie umgab. Chapparelles Atelier war eine Art stoffliches Gegenstück zu ihrem Leben vor Peter. Der Platz in der Mitte war zum Arbeiten freigeräumt. Drumherum türmte sich an den Wänden haufenweise Zeug, aufgeschichtet, weggeschoben, hingefallen und liegengelassen – Hauptsache, es wucherte nicht in den Raum hinein, der vorgesehen war für Staffelei, Leinwand, eine Stoffbahn als Hintergrund und einen Tisch, auf dem aufgereiht Farbtuben bereitlagen. Alte und neue Leinwände, verschiedene Requisiten, Stühle, Hocker und Kisten standen ohne jedes erkennbare System aufgestapelt herum. Einerseits fühlte sie sich ganz wohl in dieser Umgebung. In einem Freiraum inmitten von Chaos zu leben war ihr vertraut. Das Problem war nur, daß man früher oder später ans Aufräumen gehen mußte. Sie lächelte, als sie daran dachte, daß nun außerhalb des magischen Kreises, in dem sie arbeitete, nicht länger Chaos und Leid, sondern Ordnung und Licht herrschten.
    «Besser», konzidierte Chapparelle. «Aber bitte, nur in Gedanken lächeln.»
    Eine Minute später sagte er: «Dieses Geheimnis – ich glaube nicht, es liegt allein am congé du mari. Es hat sich noch etwas verändert.»
    «Ich habe kein Geheimnis, Monsieur Chapparelle.»
    «Das ist das Wesen der Geheimnisse. Daß es eins gibt, ist selbst geheim.»
    «Wenn Sie es sagen.»
    «Ganz sicher ist jedenfalls, daß ich heute nicht fertig werde. Sie müssen mir freundlicherweise noch eine Sitzung gewähren. Dann kann ich sehen, ob diese Veränderung dauerhaft ist.»
    «Ich bin gerne zu einem weiteren Termin bereit, auch ohne daß Sie so ein Rätsel daraus machen», meinte Harriet. «Wann kann ich denn das Ergebnis sehen?»
    «Heute eher nicht. Es ist früh genug, wenn es fertig ist.»
    «Ich würde mir aber sehr gern das Portrait der armen Mrs. Harwell ansehen. Damit sind Sie doch wohl fertig?»
    « Mais oui. Aber ich bin untröstlich, daß ich es Ihnen nicht zeigen kann. Mr. Harwell hat es bereits mitgenommen.»
    «Ach, der arme Mann!» rief Harriet aus. «Natürlich, ich kann mir gut vorstellen …»
    «Es ist gar nicht so sympathique , trotz allem», sagte Chapparelle. «Ich war überrascht. Er mochte das Bild überhaupt nicht, verstehen Sie. Es hat ihm zu schaffen gemacht. Und dennoch kommt er gleich her, um mich zu

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