Untitled
würden. Ich schwenkte die Taschenlampe und sah Errol und Brianne. Oder das, was von ihnen übrig war, denn sie sahen kaum mehr menschlich aus. Im Gebäude war es warm, und der Verwesungsprozess hatte sehr schnell eingesetzt. Meiner Schätzung nach waren sie mindestens einen Tag tot, wahrscheinlich länger.
Ich richtete die Taschenlampe zuerst auf Errol, dann auf seine Frau. Ich seufzte und hatte ein flaues Gefühl im Magen. Ich dachte an Maria und daran, dass sie irgendwas an Errol gemocht hatte. Als mein Sohn Damon klein war, hatte er ihn Onkel Errol genannt.
Briannes Augen waren trüb und verschleiert, als hätte sie grauen Star. Ihr Mund stand offen, der Unterkiefer hing herab. Errol sah ähnlich aus. Ich dachte an die Familie in Silver Spring, die hingerichtet worden war. Mit welchen Mördern hatten wir es hier zu tun? Warum hatten sie die Parkers getötet?
Man hatte Brianne die Bluse und den Büstenhalter ausgezogen, doch ich konnte die Kleidungsstücke nirgends im Raum entdecken. Ihre Jeans waren herabgezogen, sodass man das rote Höschen und ihre Oberschenkel sah.
Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte. Hatte der Mörder Briannes Bluse mitgenommen? War nach den Mördern noch jemand hier gewesen? Hatte sich jemand an Brianne vergangen, nachdem sie tot war? War es der Mörder gewesen?
Sampson schaute besorgt und verwirrt drein. »Sieht nicht nach einer Überdosis aus«, sagte er. »Zu gewalttätig. Die beiden haben verdammt gelitten.«
»John«, sagte ich leise. »Ich glaube, man hat sie vergiftet. Vielleicht sollten sie leiden.«
Ich rief Kyle Craig an und teilte ihm die Neuigkeiten mit: Wir hatten das Rätsel des Bankraubs in Silver Spring zum Teil schon gelöst, aber mindestens ein Mörder lief noch frei herum.
E ine rasch vorgenommene Autopsie bestätigte meinen Verdacht, dass Errol und Brianne Parker vergiftet worden waren. Beide hatten eine große Dosis eines Giftes geschluckt, das heftige Muskelkontraktionen verursacht und zum Herzstillstand geführt hatte. Das Gift war in eine halb volle Flasche Chianti gemischt worden. Und Brianne Parker hatte man nach dem Tod sexuell missbraucht. Was für eine Schweinerei.
Sampson und ich sprachen noch mehrere Stunden lang mit den Obdachlosen und Drogensüchtigen, die in den verlassenen Häusern an der First Avenue hausten. Keiner gab zu, Errol oder Brianne gekannt zu haben. Keiner hatte irgendwelche ungewöhnlichen Besucher in dem Haus gesehen, in dem das Paar sich versteckt hatte.
Schließlich fuhr ich nach Hause, um ein paar Stunden zu schlafen, fand aber keine Ruhe. Gegen vier Uhr stand ich auf und ging leise nach unten. Ich musste wieder an Christine und den kleinen Alex denken.
Am Kühlschrank klebte Nanas neueste Spruchweisheit. Sie lautete: Nicht ein einziges Mal / wollte sie weiß sein / um akzeptiert zu werden. / Sie träumte nur davon, noch dunkler zu sein. Ich machte den Kühlschrank auf und nahm ein Stewart's Kräuterbier heraus. Dann schlurfte ich aus der Küche. Der Spruch an der Kühlschranktür ging mir durch den Kopf.
Ich schaltete den Fernseher ein, dann wieder aus. Ich spielte im Wintergarten Klavier. »Crazy For You« und dann ein bisschen Debussy. Ich spielte »Moonglow«, was mich an die schönsten Zeiten mit Christine erinnerte. Ich stellte mir verschiedene Möglichkeiten vor, wie wir unsere Beziehung wieder kitten könnten. Seit ihrer Rückkehr nach Washington hatte ich mich bemüht, jeden Tag für sie da zu sein. Sie schob mich immer wieder von sich. Tränen traten mir in die Augen, und ich wischte sie fort. Christine ist weg. Du musst ganz von vorn anfangen. Aber ich war mir nicht sicher, dass ich das schaffte.
Die Fußbodenbretter knarrten. »Ich habe gehört, wie du ›Clair de Lune‹ gespielt hast. Sehr schön, wenn ich das hinzufügen darf.« Nana stand mit einem Tablett auf der Schwelle. Zwei dampfende Tassen Kaffee standen darauf.
Sie schob mir eine Tasse hin, und ich nahm sie. Dann setzte sie sich in den alten Schaukelstuhl aus Rattan beim Klavier und nippte still an ihrem Gebräu.
»Ist das Instantkaffee?«, neckte ich sie.
»Wenn du in meiner Küche Instantkaffee findest, schenke ich dir das Haus.«
»Das Haus gehört mir«, erinnerte ich sie.
»Das behauptest du, Herzchen. Was ist der Grund für dein Sonnenaufgang-Konzert, Alex?«
»Es ist ein Vor-Sonnenaufgang-Konzert. Ich konnte nicht schlafen. Schlechte Nacht, schlechte Träume. Und bis jetzt ein schlechter Morgen.« Ich nahm einen Schluck Kaffee, den
Weitere Kostenlose Bücher