Untitled
gehen wir! Ich kann es nicht erwarten, nach Hause zu kommen.« Sie kicherte. »Hier ist mein Gepäck.« Sie reichte Damon ihren kleinen rosa Rucksack. Er verdrehte die Augen, nahm ihn aber.
»Und wie lange soll diese Spezialbehandlung dauern?«, fragte er.
»Den Rest deines Lebens.« Sie klärte ihren Bruder knallhart über Männer und Frauen auf. »Vielleicht sogar noch länger.«
Plötzlich huschte ein Ausdruck von Angst über Jannies Gesicht. »Ich darf doch nach Hause, oder nicht?«, fragte sie mich.
Ich nickte und lächelte. »Klar doch. Aber du darfst nicht zu Fuß hinausgehen. Krankenhausvorschriften, mein Schatz.«
Jannie schaute ein bisschen niedergeschlagen drein. »Nicht im Rollstuhl! Nicht bei meinem großen Abschied!«
Ich hob sie hoch. »Doch, im Rollstuhl«, sagte ich. »Du bist sehr hübsch angezogen. Du siehst bei deinem Abschied wunderschön aus, Prinzessin.«
Wir machten am Schwesternzimmer Halt, und Jannie verabschiedete sich von allen und wurde fest in die Arme geschlossen. Danach verließen wir endlich das St. Anthony's
Krankenhaus.
Jannie war wieder gesund. Die Diagnose der Biopsie an dem entfernten Tumor hatte ergeben, dass dieser gutartig war. Jannie hatte alle Aussichten auf ein gesundes Leben, und ich war noch nie so erleichtert gewesen. Falls ich je vergessen hatte, wie teuer Jannie mir war – was ich allerdings stark bezweifle –, würde ich es nie wieder vergessen. Jannie, Damon und der kleine Alex waren meine Schätze.
Die Heimfahrt dauerte kaum zehn Minuten. Jannie benahm sich im Auto wie ein ausgelassenes Hündchen. Sie streckte das Gesicht durchs Fenster, schaute alles mit großen Augen an und schnupperte die versmogte Stadtluft, die sie als »echt ätzend« und »absolut einmalig« einstufte.
Zu Hause parkte ich den Wagen, Jannie stieg langsam, beinahe ehrfürchtig aus. Sie betrachtete unser altes Heim, als wäre es die Kathedrale von Notre Dame. Dann drehte sie sich dreihundertsechzig Grad um die eigene Achse, beäugte die Gegend an der Fünften Straße und nickte beifällig.
»Nirgends ist es schöner als zu Hause«, flüsterte sie schließlich. »Genau wie im Zauberer von Oz .« Sie blickte mich an. »Du hast sogar den Drachen mit Batman und Robin vom Baum geholt. Gelobt sei der Herr.«
Ich grinste und spürte, wie sich ein wohliges, warmes Gefühl in meinem Innern ausbreitete. Ich wusste, was es war: Ich hatte keine Todesangst mehr, Jannie zu verlieren. »Na ja, ehrlich gesagt ist Nana hochgeklettert und hat den Drachen runtergeholt«, sagte ich.
»Hör auf!« Nana Mama lachte und winkte mir zu.
Wir folgten Jannie ins Haus, und sie hob sofort die Katze Rosie hoch. Sie hielt Rosie dicht ans Gesicht, worauf diese sie mit der Sandpapierzunge ableckte. Dann tanzte sie mit der Katze einen magischen Moment lang, so wie sie es am Abend der Taufe des kleinen Alex getan hatte.
Leise sang sie dabei: »Rosen sind rot, Veilchen sind blau. Ich bin so glücklich, zu Hause zu sein. Ich liebe euch alle.«
Es war so schön, ihr zuzuschauen und ein Teil dessen zu sein. Ja, Jannie Cross, du hast Recht. Nirgends ist es so schön wie zu Hause. Vielleicht arbeite ich deshalb so wild entschlossen daran, mein Heim zu schützen.
Aber – vielleicht denke ich auch nur ganz sachlich über mich nach – wie ich nun mal bin und wahrscheinlich immer sein werde.
A m nächsten Morgen ging ich schon früh ins FBIAußenbüro. Überall im Raum klingelten Telefone, piepten Faxgeräte, ratterten Drucker – gute und schlechte Energie. Inzwischen hatte sich herausgestellt, dass Mitchell Brand nicht unser Mann war und dass man ihm wohl absichtlich den Überfall in die Schuhe geschoben hatte.
Betsey Cavalierre war von ihrem freien Wochenende zurück. Sie war sonnengebräunt, lächelte strahlend und sah sehr erholt aus. Ich fragte mich kurz, wo sie gewesen war, wurde dann aber wieder von dem mächtigen Strudel der Ermittlungen mitgerissen.
Das Hightech-Heerlager des FBI bestand immer noch, aber jetzt waren drei der vier Wände mit Hinweisen bedeckt. Das FBI vertrat den Standpunkt, dass jede Avenue durchforstet werden musste. Der Direktor hielt bereits den traurigen Rekord, die größte Menschenjagd in der Geschichte des FBI zu veranstalten. Die amerikanische Großindustrie übte enormen Druck aus. Das Gleiche war damals passiert, als Anfang der Neunzigerjahre der Unabomber einen New Yorker Geschäftsmann getötet hatte.
Ich verbrachte den Großteil des Tages in einem fensterlosen, stickigen
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