Untitled
gesehen?«
»Nein. Gefällt sie dir? Ich habe sie im Lebensmittelladen gekauft.«
»Im Lebensmittelladen?«
»In dem indischen Geschäft. Sie hat nur 75 Pence gekostet. Ich kann nicht dauernd meine Perlen tragen.«
»Sie sieht aus, als käme sie aus einer Wundertüte.«
»Ich finde, sie steht mir. Ich habe zwei gekauft. Die andere ist grün.«
»Was esse ich gerade?« fragte Mr. Ransome. »Kohlrüben?«
»Süßkartoffeln. Schmecken sie dir?«
»Wo hast du sie gekauft?«
»Bei Marks und Spencer.«
»Es schmeckt sehr gut.«
Zwei Wochen nach dem Einbruch (jedes Datum bezog sich seither darauf) saß Mrs. Ransome auf ihrem Sitzsack vor dem elektrischen Heizgerät, die Beine von sich gestreckt, betrachtete ihre inzwischen ziemlich abgestoßenen Pumps und fragte sich, was sie als nächstes tun sollte. Es war wie bei einem Todesfall, dachte sie: am Anfang so viel zu tun, und danach nichts.
Nichtsdestoweniger (und ihren Gedanken beim Abwasch weiterführend) hatte Mrs. Ransome angefangen einzusehen, daß eine so abrupte Trennung von all ihren weltlichen Gütern möglicherweise Vorteile mit sich brachte, die sie nur zögernd spirituell genannt hätte, die man aber, anders ausgedrückt, als ›charakterbildend‹ zusammenfassen konnte. Den Boden beinahe buchstäblich unter den Füßen weggezogen zu bekommen, sollte, fand sie, mahnende Gedanken auslösen über die Art und Weise, wie sie ihr Leben bisher gelebt hatte. Früher hätte der Krieg sie natürlich gerettet, eine Wende des Geschehens, die ihr keine Wahl ließ, und wenn das, was ihr zugestoßen war, auch keine Katastrophe dieser Größenordnung war, wußte sie doch, daß es an ihr lag, daraus zu machen, was sie konnte. Sie würde in Museen gehen, überlegte sie, in Kunstgalerien, sich über die Geschichte Londons informieren; es gab heutzutage Kurse jeder Art – Kurse, die sie sehr wohl auch hätte besuchen können, bevor ihnen alles, was sie auf der Welt besaßen, genommen worden war. Allerdings war sie der Meinung, daß es gerade all das gewesen war, was sie auf der Welt besaßen, was sie davon abgehalten hatte. Jetzt konnte sie anfangen. Und so, auf den nackten Dielen ihres früheren Wohnzimmers, bequem in ihren Sitzsack zurückgelehnt, stellte Mrs. Ransome fest, daß sie keineswegs unglücklich war, denn sie sagte sich, daß es so realer war und daß (auch wenn man ein wenig Bequemlichkeit brauchte) sie eigentlich ein weniger weichgepolstertes Leben führen sollten.
In diesem Moment klingelte es an der Tür.
»Mein Name ist Briscoe«, sagte die Stimme durch die Sprechanlage. »Ihre Beraterin.«
»Wir wählen konservativ«, sagte Mrs. Ransome.
»Nein«, sagte die Stimme. »Von der Polizei. Wegen Ihres Traumas. Der Einbruch?«
In dem Wissen, daß die Beraterin von der Polizei kam, hätte Mrs. Ransome eine etwas, nun, entschiedenere Person erwartet. An Ms. Briscoe war nichts Entschiedenes, außer vielleicht ihr Name, und den streifte sie gleich auf der Schwelle ab.
»Nein, nein. Nennen Sie mich Dusty. Das tut jeder.«
»Wurden Sie Dusty getauft?« fragte Mrs. Ransome und führte sie in die Wohnung. »Oder werden Sie nur so genannt?«
»O nein. Mein richtiger Name ist Brenda, aber ich möchte die Leute nicht abschrecken.«
Mrs. Ransome war sich nicht ganz sicher, wie das der Fall sein könnte, doch es stimmte, die Frau sah nicht aus wie eine Brenda; ob sie aussah wie eine Dusty, war Mrs. Ransome sich nicht sicher, da sie noch nie einer begegnet war.
Dusty war ein eher kräftiges Mädchen, das sich vielleicht aus Klugheit anstelle eines Kleides für ein Trägerkleid mit einer Jacke darüber entschieden hatte, die so lang und weit war, daß sie beinahe wie ein Kleid wirkte. In einer Jackentasche steckten ihr Terminkalender und ein Notizbuch, die andere wurde von einem Handy ausgebeult. In Anbetracht dessen, daß sie für eine Behörde arbeitete, fand Mrs. Ransome, daß Dusty ziemlich schlampig aussah.
»Sie sind also Mrs. Ransome? Rosemary Ransome?«
»Ja.«
»Und so werden Sie auch genannt, ja? Rosemary?«
»Nun, ja.« (soweit man mich überhaupt beim Namen nennt, dachte Mrs. Ransome).
»Ich habe mich nur gefragt, ob vielleicht Rose oder Rosie?«
»O nein.«
»Ihre bessere Hälfte nennt Sie Rosemary, oder?«
»Nun, ja«, sagte Mrs. Ransome, »ich glaube schon«, sie ging, um den Wasserkessel aufzusetzen und gab Dusty so die Gelegenheit, ihre erste Notiz zu machen: »Frage: Ist hier
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