Untitled
Ransome, auf ihrem Feldbett liegend, darüber nach, daß nicht das Geringste, was sie durch den Einbruch verloren hatten, ihre kleinen ehelichen Geheimnisse waren.
Mr. Ransome war mitgeteilt worden, die Versicherung werde zwar nicht für die vorübergehende Miete eines CD-Spielers aufkommen (er wurde nicht als grundlegend wichtig eingestuft), die Miete eines Fernsehgeräts werde sie jedoch unterstützen. Also machte sich Mrs. Ransome eines Morgens auf und wählte das diskreteste Modell, das sie finden konnte. Es wurde noch am selben Nachmittag geliefert und angeschlossen. Sie hatte noch nie zuvor tagsüber ferngesehen, da sie das Gefühl gehabt hatte, sie habe eigentlich Besseres zu tun. Doch als der Techniker gegangen war, stellte sie fest, daß er das Gerät bei irgendeiner Talk-Show eingeschaltet gelassen hatte, in der ein übergewichtiges amerikanisches Ehepaar von einer Hosenanzugtragenden schwarzen Person dazu befragt wurde, wie ›es denn um ihre sexuelle Beziehung bestellt sei‹, wie die schwarze Dame es ausdrückte.
Der Mann lümmelte sich breitbeinig auf seinen Sitz und beschrieb so detailliert, wie die Frau im Hosenanzug es eben zuließ, was er, wie er es nannte, ›von seiner Ehe verlangte‹. Währenddessen saß die Frau mit übereinandergeschlagenen Armen und zusammengepreßten Knien, aber zu dick, um züchtig zu wirken, da und erklärte, daß er, ›ohne ihn verurteilen zu wollen, das Deodorant noch nicht für sich entdeckt habe‹.
»Sehen Sie sich diese Körpersprache genau an«, sagte die Dame im Hosenanzug, und die Zuschauer brachen in Gejohle und Gelächter aus, sehr zu Mrs. Ransomes Verblüffung, die nicht wußte, was Körpersprache war.
»Was die Leute für Geld alles tun«, dachte Mrs. Ransome und schaltete ab.
Am folgenden Nachmittag, als sie von ihrem Nickerchen auf dem Sitzsack erwachte, schaltete sie wieder ein und stellte fest, daß sie ein ähnliches Programm sah mit einem gleichermaßen schamlosen Paar und den gleichen johlenden, buhenden Zuschauern, zwischen denen eine andere Moderatorin mit einem Mikrophon auf- und ablief, eine Weiße diesmal, doch ebenso unerschütterlich wie die erste und ebenso blind gegenüber den schlechten Manieren der Leute; Mrs. Ransome kam es sogar so vor, als stachele sie sie noch an.
Diese Moderatorinnen (denn Mrs. Ransome fing nun an, regelmäßig fernzusehen) waren alle mehr oder weniger ähnlich, groß, frech und viel zu selbstbewußt in Mrs. Ransomes Augen (sie glaubte, das sei mit ›aufgekratzt‹ gemeint und hätte es eigentlich gerne in Mr. Ransomes Wörterbuch nachgeschlagen). Sie hatten Namen, die sich über das Geschlecht hinwegsetzten: Robin, Bobby, Troy, und manche, wie Tiffany, Page und Kirby, waren nach Mrs. Ransomes Begriffen überhaupt keine Namen.
Die Moderatorinnen und ihre Zuschauer sprachen eine Sprache, die Mrs. Ransome wenigstens anfangs schwer verständlich fand, sie redeten von ›Elternschaft‹ und ›persönlicher Interaktion‹, davon, ›ihr Sexualleben aufeinander abzustimmen‹ und ›sich nicht unterkriegen zu lassen‹. Es war eine Sprache des Bekennens und eines überschwenglichen Zusammengehörigkeitsgefühls. ›Ich verstehe, was du sagst‹, sagten sie und klatschten einander gegenseitig in die Hände, ›ich weiß, was du meinst.‹ Da war Felicia, die sich langen und liebevollen Geschlechtsverkehr wünschte, und Dwight, ihr Mann, der lediglich gierige Hände hatte und keinerlei Begabung als Liebhaber. Die beiden, darüber war man sich allgemein einig, mußten miteinander reden. Und sie entschieden, es hier zu tun, vor dieser johlenden, sensationslüsternen Menge; und als der Abspann lief, fielen sie hungrig übereinander her, Mund an Mund, während die Zuschauer Zustimmung brüllten und die Moderatorin ihnen mit einem traurigeren und weiseren Lächeln zusah. »Danke, Leute«, sagte sie, und das Paar küßte sich weiter.
Mrs. Ransome konnte sich nie daran gewöhnen, wie schamlos die Teilnehmer waren, wie ungehemmt, und daß keiner von diesen Menschen je richtiggehend schüchtern war. Sogar wenn es sich um eine Sendung über Schüchternheit handelte, nahm niemand daran teil, der in irgendeinem Sinne, wie Mrs. Ransome ihn verstand, schüchtern zu nennen gewesen wäre; es gab kein Zaudern und mehr als genügend Teilnehmer, die niemals erröteten und willens waren, aufzustehen und mit ihrer lähmenden Befangenheit und den absurden Situationen zu prahlen, in die eine überwältigende Schüchternheit
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