Untitled
Ihr werdet automatisch zu jemandem, der den Aufrührern Vorschub leistet. Nein, unterbrecht mich nicht. Ich bin nicht Euer Feind, gerade deshalb bin ich ja hier, um Euch vor einem Fehltritt zu bewahren. Ihr seid bewundernswert vorausschauend, ein Adler wäre, im Vergleich zu Euch, kurzsichtig. Doch in diesem Augenblick ist Euer Blick durch Eure Wut ein kleines bißchen getrübt, eine Wut, die im übrigen verständlich ist, aber auch die Gefahr in sich birgt, in Frage zu stellen …«
»Danke. Danke. Danke. Wo hab ich nur mein Taschentuch hingesteckt?«
»Hier, nehmt meins. Nicht doch, Exzellenz, kommt, habt Mut, weint doch nicht.«
»Ach, ich fühle mich von Euch so verstanden … so begriffen … das rührt mich … Danke, großmütiges Herz!«
»Aber, Exzellenz, was tut Ihr denn da?«
»Erlaubt mir, daß ich Euere Hände küsse!«
»Exzellenz, das könnt Ihr in aller Ruhe tun, vielleicht morgen, mit Muße, bei Euch zu Hause. Aber jetzt müßt Ihr den Befehl für die sofortige Enthaftung nach Vigàta schicken.«
»Gebt mir vierundzwanzig Stunden Zeit, um noch einmal darüber nachzudenken.«
»Nein. Es muß jetzt sein.«
»Kann ich Ihnen denn vertrauen?«
»Ihr habt mein Wort. Hier, meine Hand. O Jesus! Hört doch auf, sie zu küssen. Macht schon! Ruft Eueren Kabinettschef und sagt ihm …«
»Noch drei Sekunden. Mir fällt nämlich gerade ein glänzender Ausweg ein. Ihr habt mir doch soeben berichtet, daß in dieser Wohnung in der Via Cavour 20 die Tante von Rosario Garibaldi Bosco wohnt, oder?«
»Ja, ein altes Mütterlein von dreiundneunzig Jahren.«
»Dann ist es ja gut, teurer Freund, Ihr habt mich überzeugt. Ich lasse Genuardi Filippo frei …«
»Gott sei's gedankt!«
„… und loche die Tante ein.«
B
(Commendatore Longhitano – Gegè)
»Küssdiehand, Don Lollò.«
»Grüß dich, Gegè.«
»Don Lollò, Pippo Genuardi ist verhaftet worden. Durch die Karrabinera.«
»Weiß man den Grund?«
»Er hat konspinniert.«
»Was hat er?«
»Er hat konspinniert, gegen den Staat.«
»Konspiriert? Pippo Genuardi? Wo Pippo Genuardi nicht mal weiß, was für ein Scheißhaufen der Staat überhaupt ist!«
»Und trotzdem heißt es, daß er sich mit Garibardi verbündet hat.«
»Mit Garibaldi? Aber der lebt doch schon seit zehn Jahren in Caprera als Kadaver!«
»Don Lollò, ich berichte ja nur.«
»Schon gut, Gegè, halt die Ohren auf und berichte mir immer wieder. Ist Calogerino schon von Palermo zurück?«
»Jaje. Grad eben. Er ist zu der Adresse in Corso Tukory gegangen, die Ihr ihm gegeben habt, doch diesen gehörnten Stinkstiefel von Sasà La Ferlita hat er nicht angetroffen. Die die Pension führen, haben ihm gesagt, daß Sasà ein paar Stunden, bevor Calogerino ankam, Waffen und Gepäck zusammengerafft hat und geflohen ist. Irgendeiner, meint Calogerino, muß ihn gewarnt haben.«
»Aha, das also meint Calogerino? Vielleicht hat er ja nicht unrecht. Hör zu, morgen, in aller Frühe, kommst du mit Calogerino hierher. Vielleicht gibt es ja eine Erklärung dafür, daß wir ihn nie zu fassen kriegen, diesen Sohn einer Hurensau von Sasà La Ferlita.«
C
(Polizeipräsident – Commendatore Parrinello)
»Der wollte doch wirklich die Alte verhaften, wollte der! Den ganzen Nachmittag hab ich damit verbracht, ihm das auszureden. Aber so kann das nicht weitergehen, absolut nicht. Wir müssen die Initiative ergreifen. Es bricht mir das Herz, einem Ehrenmann wie dem Präfekten Marascianno die Karriere zu ruinieren, aber ich muß diese äußerst prekäre Lage meinen und Ihren Vorgesetzten melden. Die Gefahr besteht, daß er etwas nicht Wiedergutzumachendes anstellt. Sind Sie meiner Ansicht, Commendatore Parrinello?«
»Voll und ganz, Herr Polizeipräsident. Doch mein Rat, wenn Sie mich denn schon danach fragen, ist der, noch ein bißchen zu warten.«
»Nein, auf keinen Fall! Nach dem, was mit Genuardi passiert ist und mit der alten Dame hätte passieren können, ist Marascianno imstande, den Erstbesten verhaften zu lassen, nur weil der eine rote Krawatte trägt! Und dann werde ich am Ende noch mit hineingezogen. Nein, hier muß gleich etwas geschehen.«
»Herr Polizeipräsident, ich sagte warten, weil das Problem mit Sicherheit von anderen gelöst wird, und damit haben wir es nicht mehr auf dem Gewissen.«
»Von welchen anderen sprechen Sie?«
»Ich korrigiere mich: Es wird ein anderer sein, der die Angelegenheit zum
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