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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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vor.
    Er war ein ernst aussehender Dicker mit großen Zähnen und einem kurzen weißen Bürstenhaarschnitt. Er sah wie ein alter Offizier aus, der kurz vor der Pensionierung stand.
    »Die Ortspolizei hat heute gegen zehn ein Kind gefunden, das im Fluß trieb«, erklärte McGoey. »Sie wissen nicht, ob es sich nicht um eins der entführten Kinder handelt.«
    Agent McGoey ging dann mit uns allen etwa siebzig Meter am schlammigen Flußufer entlang. Wir blieben hinter einem mit Moos und Rohrkolben überzogenen Erdhügel stehen. Von niemandem kam ein Laut, nur der bitterkalte Wind pfiff über das Wasser.
    Schließlich wußten wir, warum wir hierhergebracht worden waren. Eine kleine Leiche war mit grauen Wolldecken aus einem Notarztwagen zugedeckt worden. Es war das winzigste, einsamste Bündel im ganzen Universum.
    Einer der Ortspolizisten wurde gebeten, uns die nötigen Einzelheiten zu nennen. Als er zu sprechen anfing, war seine Stimme schwer und stockend.
    »Ich bin Lieutenant Edward Mahoney. Ich gehöre zur Polizei von Salisbury. Vor etwa einer Stunde und zwanzig Minuten hat ein Sicherheitswächter von Raser/Becton hier unten eine Kinderleiche entdeckt.«
    Wir gingen an die Decken heran. Die Leiche lag auf einem Grashügel, der zum Wasser hin abfiel. Hinter dem Gras und auf der linken Seite war ein schwarzer Lärchensumpf.
    Lieutenant Mahoney kniete neben der winzigen Leiche nieder. Sein grau uniformiertes Knie sank in den nassen Schlamm. Schneeflocken trieben um sein Gesicht, blieben an seinem Haar und seinen Wangen kleben.
    Fast ehrfürchtig zog er die Wolldecken zurück. Er wirkte wie ein Vater, der ein Kind sanft vor einem frühmorgendlichen Angelausflug weckt.
    Erst vor ein paar Stunden hatte ich mir ein Foto der beiden entführten Kinder angeschaut. Ich war der erste, der vor der Leiche des ermordeten Kindes etwas sagte.
    »Das ist Michael Goldberg«, sagte ich mit leiser, aber deutlicher Stimme. »Voller Bedauern muß ich sagen, daß es Michael ist. Es ist der arme kleine Shrimpie.«

    18. Kapitel
     
    Jezzie Flanagan kam erst am frühen Morgen des Weihnachtstages nach Hause. Ihr drehte sich der Kopf, der von zu vielen Ideen über die Entführung explodierte.
    Sie mußte die zwanghaften Bilder eine Weile abstellen. Sie mußte die Motoren abschalten, sonst wäre die Fabrik in die Luft geflogen. Sie mußte aufhören, ein Cop zu sein. Sie wußte, der Unterschied zwischen ihr und anderen Cops bestand darin, daß sie aufhören konnte.
    Jezzie wohnte mit ihrer Mutter in Arlington. Sie teilten sich in der Nähe der Crystal-City-U-Bahn eine kleine, vollgestopfte Eigentumswohnung. Jezzie nannte sie in Gedanken die »Selbstmordwohnung«. Das Zusammenleben hier war angeblich kurzfristig, bloß war sie jetzt schon ein Jahr hier, seit ihrer Scheidung von Dennis Kelleher.
    Dennis der Miesling war inzwischen im Norden von Jersey und versuchte immer noch, es zur New York Times zu bringen. Jezzie wußte im Innersten, dieses Kunststück würde ihm nie gelingen. Dennis hatte von jeher nur eins bestens gekonnt: Jezzie dazu zu bringen, daß sie an sich zweifelte. Auf diesem Gebiet war Dennis ein wahrer Meister gewesen. Aber am Schluß ließ sie sich von ihm nicht mehr deprimieren.
    Sie hatte zu hart für den Secret Service gearbeitet, um die Zeit zu finden, aus der Eigentumswohnung ihrer Mutter auszuziehen. Das redete sie sich jedenfalls ein. Sie hatte keine Zeit gehabt, ein Leben zu führen. Sie sparte – für etwas Großes, für eine einschneidende Änderung in ihrem Leben. Mindestens zweimal pro Woche hatte sie in letzter Zeit ausgerechnet, wieviel Geld sie hatte. Es waren insgesamt vierundzwanzigtausend Dollar. Das war alles. Sie war jetzt zweiunddreißig. Sie wußte, sie sah gut aus, war fast schön – genau wie Dennis Kelleher fast ein guter Schriftsteller war.
    Jezzie hätte eine Anwärterin auf einen Spitzenposten sein können, dachte sie oft bei sich. Sie hatte es fast geschafft. Sie brauchte nur einen Durchbruch, und sie hatte schließlich begriffen: diesen Durchbruch mußte sie selbst schaffen. Sie war fest dazu entschlossen.
    Sie trank ein Smithwich, wirklich gutes Bier. Smitty's war das Lieblingsgift ihres Vaters auf der ganzen Welt gewesen. Sie knabberte an einer Scheibe frischem ehester. Dann trank sie unter der Dusche am Ende des trübseligen Ganges in der Wohnung ihrer Mutter ein zweites Bier. Wieder blitzte Michael Goldbergs kleines Gesicht vor ihr auf.
    Sie würde das Aufblitzen weiterer Bilder des kleinen

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