Untitled
reiner Angabe umgebracht?
»Haben Sie jemanden aus der Familie gekannt?« fragte ich. »Nein. Sie sind gestorben, ehe Gary und ich uns kennenlernten. Das war in unserem letzten Collegejahr. Ich war auf dem Delaware College.«
»Was hat Ihr Mann Ihnen über seine Jahre in Princeton erzählt?«
»Nicht viel. Er hat das meiste für sich behalten. Ich weiß, daß die Murphys ein paar Kilometer außerhalb der Stadt gewohnt haben. Gary hatte keine Freunde, bis er in die Schule kam. Und auch dann war er oft das fünfte Rad am Wagen. Er kann sehr schüchtern sein.«
»Was ist mit dem Bruder und der Schwester, von denen Sie gesprochen haben?« fragte Sampson.
»Genaugenommen waren es sein Stiefbruder und seine Stiefschwester. Das war ein Teil von Garys Problem. Er stand ihnen nicht nahe.«
»Hat er je von der Lindbergh-Entführung gesprochen? Hatte er Bücher über Lindbergh?« fuhr Sampson fort. Er neigt bei Befragungen dazu, auf den kritischen Punkt zu kommen.
Missy Murphy wiegte den Kopf. »Nein. Nicht daß ich wüßte. Im Keller unten gibt es einen Raum, der angefüllt ist mit allen seinen Büchern. Das können Sie sich anschauen.«
»Oh, das machen wir«, sagte Sampson zu ihr.
Das war jede Menge Material, und ich hörte es mit Erleichterung. Davor hatten wir keine oder so gut wie keine Anhaltspunkte gehabt.
»Lebt seine richtige Mutter noch?« fragte ich Missy.
»Das weiß ich nicht. Gary wollte nicht über sie sprechen. Er will überhaupt nicht über sie reden.«
»Und was ist mit der Stiefmutter?«
»Gary konnte seine Stiefmutter nicht leiden. Offenbar hing sie sehr an den eigenen Kindern. Er nannte sie die ›Hure Babylon‹. Ich glaube, sie kam aus West Babylon in New York. Das muß wohl irgendwo auf Long Island liegen.«
Nach Monaten ohne jede Information konnte ich die Fragen gar nicht schnell genug stellen. Alles, was ich bis jetzt gehört hatte, gab Spuren her. Eine wichtige Frage stand noch im Raum: Hatte Gary Soneji/Murphy seiner Frau die Wahrheit gesagt? War er dazu fähig , einem anderen Menschen die Wahrheit zu sagen?
»Mrs. Murphy, haben Sie eine Ahnung, wo er stecken könnte?« fragte ich jetzt.
»Gary muß vor irgendwas ungeheure Angst gehabt haben«, sagte sie. »Ich glaube, es hat irgendwie mit seinem Job zu tun. Und mit meinem Bruder, der sein Arbeitgeber ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er nach Hause gefahren ist, nach New Jersey, aber vielleicht hat er das gemacht. Vielleicht ist Gary nach Hause gefahren. Er ist impulsiv.«
Einer der FBI-Agenten, Marcus Connor, steckte den Kopf in die Küchentür, während wir uns unterhielten. »Kann ich kurz mal mit euch beiden reden? … Tut mir leid, ist schnell erledigt«, sagte er zu Mrs. Murphy.
Connor führte uns in den Keller. Gerry Scorse, Reilly und Kyle Craig vom FBI waren schon da und warteten.
Scorse hielt ein Paar Fido-Söckchen hoch. Ich kannte sie aus Beschreibungen der Garderobe von Maggie Rose Dunne am Tag der Entführung. Außerdem aus Besuchen im Zimmer des kleinen Mädchens, wo ich ihre Kleider und ihre anderen Sachen gesehen hatte.
»Was halten Sie davon, Alex?« fragte Scorse. Mir war aufgefallen, daß er mich immer fragte, wenn alles schieflief.
»Genau das, was ich in Washington über den Turnschuh gesagt habe. Für ihn ist das jetzt ein Spiel. Er möchte, daß wir mitspielen.«
40. Kapitel
Das alte Dupont Hotel in der Innenstadt von Wilmington war ein angenehmer Ort zum Ausschlafen. Es verfügte über eine hübsche, ruhige Bar, und Sampson und ich hatten vor, uns dort in aller Ruhe zu betrinken. Wir glaubten nicht, dort Gesellschaft zu bekommen, aber zu unserer Überraschung schlossen sich Jezzie Flanagan, Klepner und etliche FBI-Agenten auf einen Gutenachtschluck an.
Nachdem uns Gary Soneji/Murphy knapp durch die Lappen gegangen war, waren wir müde und frustriert. Wir tranken in kurzer Zeit eine Menge Schnaps. Ehrlich gesagt, wir kamen bestens miteinander zurecht. »Das Team.« Wir wurden laut, spielten Lügenpoker, machten in jener Nacht in der eleganten Delaware-Bar jede Menge Krach. Eine Zeitlang sprach Sampson mit Jezzie Flanagan. Er hielt sie auch für einen guten Cop.
Schließlich nahm die Trinkerei ein Ende, und wir machten uns auf die Suche nach unseren Zimmern, die über das weitläufige Dupont Hotel verteilt waren.
Jeb Klepner, Jezzie und ich stiegen über die mit dicken Teppichen belegte Treppe zu unseren Zimmern im ersten und zweiten Stock hinauf. Viertel vor drei Uhr morgens war das
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