Untitled
sind wir, Leute. Am Tor zur Hölle.«
Neun von uns stürmten das Haus – Scorse, Reilly, Craig, zwei weitere FBI-Agenten, Sampson, ich, Jeb Klepner und Jezzie Flanagan. Wir waren schwer bewaffnet und trugen kugelsichere Westen. Wir wollten das zu Ende bringen. Hier und jetzt.
Ich drang durch die Küche ein. Scorse und ich betraten sie gleichzeitig. Sampson war einen Schritt hinter uns. Auch er sah nicht wie ein Vater aus der Nachbarschaft aus, der verspätet zur Party kam.
»Wer seid ihr? Was ist hier los?« kreischte eine Frau an der Arbeitsplatte, als wir die Küche stürmten.
»Wo ist Gary Murphy?« fragte ich laut. Gleichzeitig zeigte ich meine Polizeimarke. »Ich bin Alex Cross. Polizei. Wir sind wegen der Entführung von Maggie Rose hier.«
»Gary ist im Eßzimmer«, sagte eine zweite Frau, die vor einem Mixer stand, mit bebender Stimme. »Hier entlang.« Sie zeigte es.
Wir rannten den Flur entlang. An den Wänden hingen Familienbilder. Auf dem Boden lag ein Stapel ungeöffneter Geschenke. Wir hatten die Revolver gezogen.
Es war ein furchterregender Augenblick. Die Kinder, die wir zu sehen bekamen, hatten Angst. Das galt auch für die Mütter und Väter. Hier waren so viele unschuldige Menschen – genau wie in Disney World, dachte ich. Genau wie in der Georgetown-Tagesschule.
Gary Soneji war nicht im Eßzimmer. Bloß noch mehr Polizisten, Kinder mit Geburtstagshüten, Kuscheltieren, Mütter und Väter mit ungläubig aufgerissenen Mündern.
»Ich glaube, Gary ist nach oben gegangen«, sagte einer der Väter schließlich. »Was ist denn hier los? Was zum Teufel ist hier los?«
Craig und Reilly stürzten schon die Treppe zum Vorderflur herunter.
»Da oben ist er nicht«, schrie Reilly.
Ein Kind sagte: »Ich glaube, Mr. Murphy ist in den Keller gegangen. Was hat er denn getan?«
Wir rannten zurück in die Küche und in den Keller hinunter – Scorse, Reilly und ich. Sampson ging nach oben, um gründlich nachzuschauen.
Niemand war in den beiden kleinen Kellerräumen. Eine Feuertür führte nach draußen. Sie war zu und von außen abgeschlossen.
Sampson kam gleich darauf herunter, zwei Treppen auf einmal. »Ich habe den ganzen ersten Stock überprüft. Dort ist er nicht!«
Gary Soneji war wieder verschwunden.
38. Kapitel
Okay, ziehen wir die Schraube ein bißchen an! Machen wir ernst. Gehen wir jetzt aufs Ganze, dachte Gary, als er weglief.
Er hatte Fluchtpläne im Kopf, seit er fünfzehn Jahre alt war. Er hatte gewußt, daß die sogenannten Behörden eines Tages nach ihm suchen würden, irgendwie, irgendwo. Vor dem geistigen Auge hatte er das alles schon in seinen detaillierten Tagträumen gesehen. Die einzige Frage war, wann. Und vielleicht, weshalb. Wegen welchem seiner Verbrechen?
Dann waren sie da, in der Central Avenue in Wilmington. Das Ende der gefeierten Menschenjagd. Oder war es der Anfang?
Von dem Augenblick an, in dem er die Polizei sah, war Gary wie eine programmierte Maschine. Er konnte fast nicht fassen, daß das, worüber er so oft phantasiert hatte, tatsächlich geschah. Doch sie waren da. Ein besonderer Traum war wahr geworden. Das trat ein, wenn man im Herzen jung geblieben war.
Er hatte den Pizzalieferanten ruhig bezahlt. Dann ging er die Treppe hinunter und durch den Keller hinaus. Er benutzte eine getarnte Tür und ging in die Garage. Er schloß die Tür von außen ab. Eine weitere Nebentür führte zu einer winzigen Gasse zum Hinterhof der Dwyers. Er schloß auch diese Tür wieder ab. Jimmy Dwyers Schneestiefel standen auf der Verandatreppe. Auf dem Boden lag Schnee. Er nahm die Stiefel seines Nachbarn mit.
Zwischen seinem Haus und dem der Dwyers blieb er stehen. Er dachte daran, sich hier und jetzt fassen zu lassen – freiwillig –, genau wie Bruno Hauptmann im Fall Lindbergh. Der Gedanke gefiel ihm. Aber noch nicht. Nicht hier.
Dann lief er weg, durch enge Gassen zwischen den Häusern. Niemand außer Kindern benützte den schmalen Pfad, der von Unkraut überwuchert und mit Limonadenbüchsen übersät war.
Er fühlte sich, als könne er nur eindimensional sehen. Mußte etwas mit der Angst zu tun haben, die er am ganzen Leib spürte. Gary hatte Angst. Er mußte es sich eingestehen. Stell dich der Tatsache deines Adrenalinspiegels, Junge.
Er lief an den Hinterhöfen der ganzen Central Avenue entlang. Dann in den dicht bewaldeten Downing Park. Er sah unterwegs keine Menschenseele.
Als er sich einmal umschaute, sah er, wie sie aufsein Haus zugingen. Sah die
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