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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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ihren Armen, ungläubig den Kopf schüttelnd, schweißüberströmt in dem überheizten Schlafwagen, und er machte alles in allem einen so unbeschwerten und begeisterten Eindruck, daß sie das Gefühl hatte, sie habe ihr ganzes Leben damit verbracht, ihn aus dem Gefängnis zu holen, und wenn sie ihn jetzt im Stich ließe, könnte sie ihn ebensogut ohne Begnadigung wieder dorthin zurückschicken. Der Geheimdienst hatte eine operative Kommunikationszentrale, deren Nummer Aggie auswendig wußte. Eine auf Kompromiß bedachte Stimme in ihr erwog, diese Nummer anzurufen und zu melden, daß es Oliver und Aggie gutgehe und man sich keine Sorgen zu machen brauche. Eine lautere Stimme in ihr sagte, die kleinste Nachricht sei Verrat.
    Es wurde jetzt richtig Nacht, der Smog hob sich, die Außenscheinwerfer tauchten die Festung in einen weißen Lichtkegel, und die Lichter der Autos auf den Brücken über den Bosporus zogen wie glitzernde Halsbänder vor dem schwarzen Wasser dahin. Aggie stellte fest, daß sie betete und das Gebet nicht ihre Beobachtungsgabe beeinträchtigte. Sie wappnete sich. Das Doppeltor schwang auf, an jeder Seite eine schwarze Weste. Ein Scheinwerferpaar kam den Hügel hinauf auf sie zu. Sie sah, wie das Licht abgeblendet wurde, und hörte in der Ferne eine Hupe. Der Wagen bog in die Einfahrt, und bevor sich das Tor dahinter wieder schloß, identifizierte sie ihn als einen silbernen Mercedes. Am Steuer ein Chauffeur. Im Fond ein massiger Mann, aber zu weit weg und nur so kurz zu sehen, daß sie ihn nach den Fotos, die man ihr im Millionen Meilen entfernten London gezeigt hatte, nicht sicher als Mirsky erkennen konnte.
    Oliver drückte auf die Klingel und hörte zu seiner Verwirrung eine Frauenstimme, was ihn daran erinnerte, daß, wenn man von einer Frau besessen ist, alle anderen Frauen unwillkürlich nur noch Brücken sind, die zu der einen führen. Anfangs sprach sie Türkisch zu ihm, doch als er Englisch sprach, schaltete sie auf Euro-Amerikanisch um und sagte, ihr Mann sei zur Zeit außer Hause, er solle es mal bei ihm im Büro versuchen. Und Oliver antwortete, im Büro habe er es bereits vergeblich versucht, er habe über eine Stunde gebraucht, um das Haus zu finden, er sei ein Freund von Dr. Conrad, er habe vertrauliche Nachrichten für Dr. Mirsky, seinem Chauffeur sei das Benzin ausgegangen, und könne Mrs. Mirsky nicht vielleicht sagen, wann ihr Mann so ungefähr nach Hause käme? Und Oliver hatte den Eindruck, daß irgend etwas in seiner Stimme sich ihr mitgeteilt haben mußte, irgendeine Mischung aus Autorität und Liebesgeflüster, das noch von seiner Nacht mit Aggie in ihm nachschwang; denn als nächstes fragte sie: »Sind Sie Amerikaner oder Engländer?«, und ihre Stimme klang entspannt, beinahe wie das wohlige Schnurren danach. »Engländer durch und durch. Disqualifiziert mich das?« »Und Sie sind ein Klient meines Mannes?«
    »Noch nicht, aber ich bin es, sobald er mich haben will«, antwortete er herzlich, worauf sie für einige Sekunden nicht mehr über die Sprechanlage zu hören war.
    »Darf ich Sie auf einen Zitronensaft einladen, bis Adam zurück ist?« schlug sie vor.
    Gleich darauf schob ein Mann in schwarzer Weste eine Hälfte des Eisentors so weit auf, daß ein Fußgänger hindurch konnte, während ein zweiter Mann auf Türkisch zwei Schäferhunde anbrüllte, sie sollten still sein. Und nach den Mienen der Männer zu urteilen, hätte Oliver ebensogut aus dem Weltraum gelandet sein können, denn erst spähten sie verblüfft die Straße rauf und runter und musterten dann seine staubfreien Schuhe. Also zeigte Oliver mit dem Daumen den Hügel hinunter und bemerkte lachend: »Mein Fahrer sucht eine Tankstelle«, und konnte nur hoffen, daß sie, auch wenn sie ihn nicht verstünden, immerhin akzeptieren würden, daß er eine Erklärung geliefert hatte. Die Eingangstür stand offen, als er sie erreicht hatte. Ein Preisboxer im schwarzen Anzug bewachte sie. Er wirkte speckig und unfreundlich, war so groß wie Oliver und hielt die Hände locker geballt an den Seiten, während er Oliver mit den Augen abtastete.
    »Willkommen«, sagte er schließlich und führte Oliver durch einen Vorhof zu einer zweiten Tür, die wiederum auf einen Innenhof mit einem beleuchteten Swimmingpool und einer von Trompetenblumen überwucherten Terrasse führte, auf der Lampions hingen und Rattan-Hängestühle von Tragbalken baumelten. In einem dieser Stühle saß ein kleines Mädchen, das wie Carmen aussah, wenn sie

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