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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Leben weinen können, aber das war ein Irrtum gewesen.
    Von Cadgwith beobachtet, las Ollie die Papiere langsam durch, er rümpfte und rieb sich die Nase und runzelte die Stirn wie jemand, der weiß, wonach er sucht, und dem das nicht gefällt. Er las, legte die Stirn in noch grimmigere Falten und las dann noch einmal, und diesmal schien er sich innerlich aufzurichten, sich zu sammeln, sich anzuspannen oder was auch immer Männer tun mochten, wenn sie sich auf einen Streit vorbereiten. Es war ein echtes Aus-dem-Versteckkommen, was sie da sah, eine Szene wie in dem Film, den sie und Sammy so gerne sahen, wo der schottische Held in seiner Rüstung aus der Höhle tritt und man plötzlich weiß, das ist er, obwohl man das schon die ganze Zeit gewußt hat. Und Cadgwith mußte etwas davon mitbekommen haben, denn als Ollie Sammys Vertrag und danach das formelle Zahlungsversprechen - ein drittes Mal gelesen hatte, sah er längst nicht mehr so zuversichtlich drein. »Zeigen Sie mir die Zahlen«, befahl Ollie, und Cadgwith gab sie ihm, etliche Seiten mit Zahlenkolonnen, neben denen die Zinsen eingetragen waren; die jeweils letzte Zahl unten auf der Seite war mit roter Tinte geschrieben. Und Ollie las auch die Zahlen, las sie zügig wie einen zusammenhängenden Text, mit jener Sicherheit, die man nur bei Bankangestellten oder Buchhaltern kennt.
    »Sie haben überhaupt nichts in der Hand«, erklärte er Cadgwith. »Der Vertrag ist der reinste Pipifax, die Zahlen sind ein Witz, Sam ist minderjährig, und Sie sind ein Gauner. Nehmen Sie den Krempel und verduften Sie.«
    Und natürlich ist Ollie ein großer starker Bursche, und wenn er nicht gerade durch dichten Nebel zu einem spricht, hat er eine kräftige Stimme - aufrecht und nachdrücklich wie ein Offizier, eine Stimme, wie man sie in Gerichtsmelodramen zu hören bekommt. Und sein Blick paßt auch dazu, wenn er mal nicht einem richtig in die Augen sieht. Ein zorniger Blick. Augen wie diese bedauernswerten Iren, die für Dinge, die sie nie getan hatten, jahrelang im Gefängnis gewesen waren. Und groß und stark wie er war, baute Oliver sich dicht vor Cadgwith auf und ging dann, ohne ihn aus den Augen zu lassen, mit ihm zur Tür. Und an der Tür gab er Cadgwith noch eine Bemerkung mit auf den Weg. Und wenn auch Elsie seine Worte nicht mitbekam, so mußte Sammy sie doch deutlich vernommen haben, denn als in den folgenden Wochen seine Lebensgeister allmählich zurückkehrten, wiederholte er sie bei jeder Gelegenheit wie einen Leitspruch, der ihn aufmuntern sollte: »Und wenn Sie noch einmal hier aufkreuzen, breche ich Ihnen Ihr schmutziges Genick.« Mit freundlicher, gemessener, unaufgeregter Stimme, nicht als Drohung, nur zur Information gesagt, aber Sammy half dieser Satz, wieder zu sich selbst zu finden. Denn während er und Ollie im Holzschuppen die Schätze einpackten, um sie an Friendship Home Marketing zurückzuschicken, murmelte er das zu seiner Aufmunterung immer wieder vor sich hin: »Und wenn Sie noch einmal hier aufkreuzen, breche ich Ihnen Ihr schmutziges Genick.« Ein hoffnungsvolles Gebet.
    Oliver hätte schließlich eingewilligt, ihr zuzuhören:
    »Ich kann jetzt nicht mit ihm reden, wirklich nicht, Else, das wäre der falsche Zeitpunkt«, antwortete er, wie stets mit perfekten Manieren, aus der Dunkelheit seiner Baskenmütze. Dann reckte er sich, eine seiner typischen Verrenkungen, indem er den langen Rücken durchdrückte, beide Arme gerade nach hinten streckte und das Kinn an die Brust legte wie ein Gardist, der einen Befehl empfangen hat. Derart zu voller Größe und Breite aufgerichtet, war er sowohl zu groß für Sammy als auch zu breit für den roten Lieferwagen, an dessen von schlechtem Einparken und Vandalen ramponierten Seitenwänden in rosa Phantasieschrift ONKEL OLLIES ZAUBERBUS geschrieben stand.
    »Wir haben einen Auftritt um eins in Teignmouth und einen um drei in Torquay«, erklärte er, als er sich mit Mühe auf den Fahrersitz zwängte. Sammy saß bereits neben ihm, er hielt den loszufahren, immer wieder mit dem Kopf daran. »Und um sechs noch bei der Heilsarmee.« Der Motor stotterte, aber das war auch alles. »Die wollen die blöden Take That«, sagte er noch über Sammys enttäuschtes Gejammer hinweg.
    Er drehte den Schlüssel zum zweitenmal, nichts tat sich. Wieder mal abgesoffen, dachte Elsie Watmore. Er wird noch mal zu seiner eigenen Beerdigung zu spät kommen. »Ohne Take ´hat brauchen wir erst gar nicht anzutanzen, stimmt´s, Sammy?«

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