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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Olivers Verhalten hat inzwischen etwas Heiteres bekommen. Er hat den erhitzten Kopf zurückgeworfen, seine vollen schwarzen Locken fliegen wie die eines berühmten Dirigenten, seine aufgedunsenen Wangen glühen vor Anstrengung und Vergnügen, seine Augen sind wieder klar und jung, er lacht, und die Kinder lachen noch lauter. Er ist der unumschränkte König der Heiterkeit, der unvergleichliche Regenmacher in ihrer Mitte. Er ist ein tolpatschiger Clown und muß daher beschützt werden, er ist ein gelenkiger Gott, der über das Lachen gebietet und bezaubern kann, ohne zu zerstören. »Und nun, Prinzessin Mary Jo, nimm bitte diesen Holzlöffel von Sammy - gib ihr den Holzlöffel, Freund. Mary Jo, ich möchte, daß du diesen Topf umrührst, aber sehr, sehr langsam und mit voller Konzentration. Sammy, gib ihr den Topf. Danke, Sammy. Also. Ihr alle habt in den Topf hineingesehen, ja? Ihr alle wißt, daß dieser Topf leer ist, abgesehen von ein paar langweiligen Perlen, die weder Mensch noch Tier irgendwie nützlich sein könnten.«
    »Und sie wissen auch alle, daß der Topf einen doppelten Boden hat, du fetter alter Dummkopf«, schreit Rocco und erntet lauten Applaus.
    »Rocco, du widerliche stinkige Ratte!«
    »Waschbär! Waschbär! Keine Ratte! Waschbär!«
    »Halt den Mund, Rocco. Mary Jo, bist du schon mal eine Prinzessin gewesen?« Ein kaum merkliches Kopfschütteln Mary Jos sagt uns, daß sie noch keinerlei Erfahrung als königliche Hoheit hat. »Dann möchte ich, daß du dir etwas wünschst, bitte, Mary Jo. Etwas ganz Großes, Herrliches, einen ganz geheimen Wunsch. So groß, wie du willst. Sammy, halte den Topf jetzt ganz still. Aua! - Rocco, wenn du das noch einmal tust, dann -«
    Aber nach kurzem Nachdenken beschließt Oliver, Rocco keine zweite Chance mehr zu geben. Er packt ihn an Kopf und Schwanz, biegt Roccos Rumpf mundgerecht nach oben und beißt zu dessen Läuterung ein riesiges Stück aus ihm heraus, um dann unter schallendem Gelächter und spitzen Angstschreien einen überzeugenden Klumpen Fell auszuspucken, den er aus den Tiefen seines Mantels hervorgezaubert hat.
    »Hihi, hat gar nicht wehgetan, gar nicht wehgetan!« kreischt Rocco durch den Applaus. Aber Oliver überhört ihn. Er ist schon wieder bei seiner Nummer.
    »Jungen und Mädchen, ich möchte, daß ihr alle in diesen Topf schaut und diese langweiligen Perlen für mich im Auge behaltet. Willst du dir jetzt etwas für uns wünschen, Mary Jo?« Ein schüchternes Nicken sagt uns, daß Mary Jo sich etwas für uns wünschen will.
    »Langsam umrühren, Mary Jo. - gib dem Zauberer eine Chance -, rühr die langweiligen Perlen um! Hast du dir etwas gewünscht, Mary Jo. Ein guter Wunsch braucht Zeit. Ah. Phantastisch. Göttlich.«
    Oliver macht einen dramatischen Satz zurück und hält sich die gespreizten Finger vor die Augen, um sie vor dem strahlenden Glanz seiner Schöpfung zu schützen. Vor uns steht die Geburtstagsprinzessin, geschmückt von Kopf bis Fuß, eine Kette aus silbernen Perlen um den Hals, ein silbernes Diadem auf dem Kopf. Oliver bewegt die Hände wedelnd um sie herum, ohne sie jedoch zu berühren, denn Anfassen ist tabu. »Nehmen Sie auch Kleingeld, Meister?« fragt der Mann mit dem kahlrasierten Schädel und zählt fünfundzwanzig Einpfundmünzen aus einem Gamslederbeutel in Olivers offene Handfläche.
    Der Anblick der Münzen erinnert Oliver an Toogood und die Bank, und ihm dreht sich der Magen um, ohne daß er einen anderen Grund dafür anzugeben wüßte als den, daß von Arthur Toogoods Verhalten der Gestank des Unnatürlichen ausgeht und daß dieser Gestank zunehmend schlimmer wird. »Können wir am Sonntag Billard spielen?« fragt Sammy, als sie wieder im Auto sitzen.
    »Mal sehen«, sagt Oliver und beißt in ein geschenktes Wurstbrötchen.
    Olivers zweiter Auftritt an diesem Freitagnachmittag fand im Bankettsaal des Majestic Hotel Esplanade in Torquay statt; das Publikum bestand aus zwanzig Kindern der Oberschicht, deren Stimmen ihn an seine Kindheit erinnerten, einem Dutzend gelangweilter Mütter in Jeans und Perlen und zwei hochnäsigen Kellnern mit schmutzigen Hemdbrüsten, die Sammy einen »Absolut meisterhaft«, sagte eine vornehme Dame, als sie im Bridgezimmer den Scheck ausstellte. »Fünfundzwanzig Pfund kommt mir furchtbar billig vor. Ich kenne keinen, der heutzutage für fünfundzwanzig Pfund auch nur einen Finger rührt«, fügte sie lächelnd und mit hochgezogenen Augenbrauen hinzu. »Sie müssen ja immerzu ausgebucht

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