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Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Beststellung, daß es ihn ganz besonders traurig macht, daß unser Freund hier aus London kommt. Der Bürgermeister hat London bereits einmal besucht. Er hat den Tower und den Buckingham Palace und viele andere Sehenswürdigkeiten besichtigt. Er hat großen Respekt vor der britischen Kontinuität.«
    »Das freut mich zu hören«, sagte Brock ernst, ohne das weiße Haupt zu heben. »Danken Sie bitte dem Bürgermeister freundlich, daß er die Mühe auf sich genommen hat, Harry.« »Er hat gefragt, wer Sie sind«, sagte der Konsul mit gedämpfter Stimme, nachdem er den Dank übermittelt hatte. »Ich habe geantwortet, Sie seien vom Außenministerium. Sonderabteilung für im Ausland verstorbene Briten.«
    »Durchaus zutreffend, Harry. Gut formuliert. Ich danke Ihnen«, erwiderte Brock höflich.
    Dennoch, bei aller Leutseligkeit, mit deutlicher Autorität gesagt, wie der Konsul nicht zum erstenmal bemerkte. Und dieser Liverpooler Akzent war nicht immer ganz so gemütlich, wie er wirken sollte. Ein vielschichtiger Mann, und nicht alle Schichten waren angenehm. Ein verkapptes Raubtier. Der Konsul war ein furchtsamer Mensch, der seine Empfindlichkeit hinter einer spröden, lässigen Eleganz zu verbergen suchte. Beim Dolmetschen ließ er, genau wie sein Vater, ein bekannter Ägyptologe, den Blick sorgenvoll ins Leere schweifen. »Ich werde mich übergeben«, hatte er Brock gewarnt, als sie den Hügel hinaufgefahren waren. »Das tue ich immer. Ich brauche nur einen toten Hund am Straßenrand zu sehen, und schon kommt´s mir hoch. Der Tod und ich sind einfach nicht füreinander geschaffen.« Aber Brock hatte bloß lächelnd den Kopf geschüttelt, als wollte er sagen, es müsse halt auch solche Menschen geben.
    Die zwei Briten standen an einer Seite der verzinkten Eisenwanne. Der Krankenhauschef, der Oberarzt, der Bürgermeister und seine komplette Stadtverwaltung standen etwas über ihnen auf einer Plattform an der anderen Seite und lächelten tapfer. Zwischen ihnen, nackt und mit zerschmettertem Schädel, lag der verstorbene Mr. Alfred Winser. Er krümmte sich in Foetushaltung auf einer Schicht aus gestoßenem Eis, das aus der Maschine auf dem Hauptplatz unten am Hügel stammte. Ein angebissener Ring Zuckerbrot, der Rest eines unbeendeten Frühstücks, lag zwischen einigen Dosen Fliegenspray auf einem Rollwagen zu seinen Füßen. Ein elektrischer Ventilator winselte nutzlos in einer Ecke neben dem uralten Lift, der, so vermutete der Konsul, zum Transport von Leichen verwendet wurde. Ab und zu bewegten sich im Oberlicht die Reifen eines Krankenwagens oder ein eiliges Paar Füße vorbei und brachten frohe Kunde von den Lebenden. In der Leichenkammer stank es nach Verwesung und Formaldehyd. Die Luft drückte dem Konsul den Kehlkopf zu und drehte ihm den Magen um wie einen verklemmten Schlüssel.
    »Die Obduktion wird Montag oder Dienstag durchgeführt«, dolmetschte der Konsul mit sehr bedenklicher Miene. »Der Pathologe ist noch in Adana unabkömmlich. Der beste, den sie in der Türkei haben, und so weiter, das übliche. Zunächst muß die Witwe ihn identifizieren. Der Paß unseres Freundes reicht ihnen nicht. Ach ja, und es war Selbstmord.«
    All dies vertraulich in Brocks linkes Ohr geflüstert, während Brock weiter den Leichnam betrachtete. »Verzeihung, wie war das, Harry?«
    »Er sagt, es war Selbstmord«, wiederholte der Konsul. Und als Brock immer noch keine Reaktion erkennen ließ: »Selbstmord. Ganz bestimmt.«
    »Wer sagt das?« fragte Brock, als käme er nicht so recht mit. »Kommissar Ali.«
    »Und wer von denen ist das, Harry? Seien Sie so gut und helfen Sie meinem Gedächtnis auf die Sprünge.«
    Dabei wußte Brock sehr genau, wer Ali war. Lange bevor er die Frage stellte, hatten seine unschuldigen blauen Augen den örtlichen Polizeikommissar, den zwei Assistenten in Zivil begleiteten, im Gefolge des Bürgermeisters ausgemacht: seine grinsende, teilnahmslose Gestalt, die gebügelte graue Uniform, die Sonnenbrille mit Goldrand, auf die er sichtlich stolz war. »Der Kommissar sagt, er habe eingehende Nachforschungen angestellt und sei sich sicher, daß die Obduktion seine Erkenntnisse bestätigen werde. Selbstmord in betrunkenem Zustand.
    Fall abgeschlossen. Er sagt, Ihre Reise hierher war überflüssig«, fügte der Konsul in der verzweifelten Hoffnung hinzu, daß Brock dies als Stichwort zum Aufbruch nehmen würde.
    »Selbstmord? Auf welche Weise genau, bitte, Harry?« fragte Brock und wandte sich geduldig wieder

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