Untitled
Aggressivität nur Geplänkel. Für Brock freilich war es ein Duell auf Leben und Tod, das nur einer von ihnen gewinnen konnte. »Also, was wollen Sie, Bernard?« fragte Brock. »Es soll auch Menschen geben, die nachts schlafen möchten.«
»Wer hat Alfred Winser umgebracht?« Porlocks Stimme klang schmeichelnd, aber das breite Grinsen war immer noch da. Brock tat so, als müsse er erst einmal in seinem Gedächtnis kramen. »Winser. Alfred. Aha, ja. Wenn man der Presse glauben darf, ist er jedenfalls nicht an einer gewöhnlichen Erkältung gestorben, oder? Ich dachte, Ihre Leute wären längst da, um die örtliche Polizei bei ihren Ermittlungen zu behindern.« »Und warum sind wir dann nicht da, Nat? Warum liebt uns keiner mehr?«
»Bernard, ich werde nicht dafür bezahlt, das Kommen und Gehen der vornehmen Herrschaften von Scotland Yard zu rechtfertigen.« Er sah noch immer das spöttische Grinsen, sprach zu diesem Grinsen. Eines Tages, sollte ich lange genug leben, spreche ich durch Gitterstäbe zu diesem Grinsen, ich schwör´s.
»Warum bestehen diese Schwuchteln im Außenministerium darauf, daß ich erst den Bericht der türkischen Polizei abwarte, bevor ich denen meine fiese Aufmerksamkeit zuwende? Da hat doch jemand seine Finger drin, und ich glaube fast, es sind Ihre, falls Sie sie nicht irgendwo anders drinhaben«, sagte Porlock.
»Jetzt bin ich aber schockiert, Bernard. Warum sollte ein kleiner geknechteter Zollbeamter zwei Jahre vor seiner Pensionierung den Wunsch verspüren, der Justiz ins Handwerk zu pfuschen?« »Sie jagen doch Geldwäscher, oder? Daß Single Geld für den Wilden Osten wäscht, weiß jeder. Die stehen ja praktisch in den gelben Seiten.«
»Und wie soll das mit dem zufälligen Mord an Mr. Alfred Winser zusammenhängen, Bernard? Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Winser gehört doch zu dem Verein. Wenn Sie herausfinden, wer Alfred Winser getötet hat, können Sie Tiger womöglich festnageln. Ich sehe ihn richtig vor mir, wie er mit unseren Herren in Whitehall spielt, besonders wenn ein gewisser hübscher Arschkriecher zugegen ist.« Er verfiel in einen Lispeln: »›Das soll der alte Nat mal machen. Das fällt doch exakt in sein Ressort.‹« Brock nahm sich eine Auszeit zum Beten und Nachdenken. Ich beobachte das live, dachte er. Ich erlebe das hier und jetzt. Porlock nimmt seinen Zahlmeister in Schutz, und er tut das im hellen Rampenlicht. Verzieh dich wieder in den Schatten, dachte er. Wenn du ein Gauner bist, dann handle auch wie ein Gauner und setz dich bei unseren wöchentlichen Besprechungen nicht neben mich. »Ich jage keine Geldwäscher, Bernard«, erklärte Brock. »Was das betrifft, habe ich meine Lektion gelernt. Ich jage das Geld dieser Leute. Es stimmt aber, vor langer Zeit habe ich tatsächlich mal einen gejagt«, bekannte er, plötzlich seinen alten Liverpooler Akzent nachäffend. »Habe einen Haufen sehr kostspieliger Anwälte und Buchprüfer auf ihn angesetzt und alles bei ihm auf den Kopf gestellt. Fünf Jahre und etliche Millionen Pfund öffentlicher Gelder später hat er mir vor Gericht zwei Finger gezeigt und ist als freier Mann hinausspaziert. Wie ich höre, versucht die Jury immer noch die langen Wörter zu entziffern. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Bernard, nein, viele gute Nächte.«
Aber Porlock war noch nicht mit ihm fertig.
»Noch etwas, Nat.«
»Ja?«
»Immer schön locker bleiben. Kenne da einen kleinen Club in Pimlico. Viele freundliche Leute, nicht alle männlichen Geschlechts. Ich lade Sie ein.«
Brock hätte beinahe laut aufgelacht. »Bringen Sie da nicht was
durcheinander, Bernard?«
»Wieso?«
»Polizisten sollen sich doch von Gaunern bestechen lassen. Und sich nicht gegenseitig bestechen, jedenfalls nicht da, wo ich herkomme.«
Wieder frei, schloß Brock einen riesigen Wandsafe auf und entnahm ihm einen fest eingebundenen Notizkalender in Quartformat, den er eigenhändig mit HYDRA beschriftet hatte, schlug ihn am aktuellen Datum auf und trug in seiner sorgfältigen gestochenen Handschrift folgendes ein: 01:22 - Unerbetener Anruf von Insp. Bernard Porlock, versuchte Informationen zum Stand der Ermittlungen im Mordfall A. Winser zu erlangen. Gesprächsaufzeichnung beendet um 01:27.
Und nachdem er den Rest des Antragsformulars ausgefüllt hatte, rief er, obwohl es inzwischen zwei Uhr morgens war, seine Frau Lily zu Hause in Tonbridge an und ließ deren atemlos vorgetragene Erzählung von irgendwelchen finsteren Vorfällen in
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