Untitled
ihrem Frauenverein über sich ergehen.
»Und diese Mrs. Simpson, Nat, marschiert die doch einfach zu dem Tisch mit unseren Marmeladegläsern, nimmt Mary Ryders Glas und schmeißt es auf den Boden. Dann dreht sie sich zu Mary um und sagt: Mary Ryder, wenn dein Herbert sich noch einmal um elf Uhr abends mit seinem widerlichen Ding in der Hand draußen unter mein Badezimmerfenster stellt, hetze ich den Hund auf ihn. Das wird euch beiden noch leidtun.« Er sagte nicht, wo er in den letzten Tagen gewesen war, und Lily fragte auch nicht danach. Manchmal litt sie unter dieser Heimlichtuerei, im allgemeinen jedoch sah sie darin etwas Schönes, das sie miteinander verband. Punkt halb neun am nächsten Morgen nahmen Brock und Aiden Bell ein Taxi und fuhren in südlicher Richtung über den Fluß. Bell war eine elegante Erscheinung und von angenehmer Höflichkeit, so daß ihm die Frauen ohne weiteres vertrauten. Er trug einen militärisch wirkenden Anzug aus grünem Tweed.
»Habe gestern abend eine Einladung von St. Bernard dem Kahlen erhalten«, berichtete Brock in dem Hüsterton, mit dem er Geheimnisse mitzuteilen pflegte, die er lieber für sich behalten hätte. »Ich soll mit ihm einen schmierigen Club in Pimlico aufsuchen, damit er kompromittierende Fotos von mir machen kann.«
»Wirklich sehr raffiniert, unser Bernard«, sagte Bell grimmig; sie gaben sich in schöner Gemeinsamkeit ihrer Entrüstung hin. »Eines Tages«, sagte Bell.
»Eines Tages«, stimmte Brock zu.
Bell und Brock waren längst beide nicht mehr, was sie zu sein schienen. Bell war Soldat, und Brock war, woran er Bernard Porlock erinnert hatte, ein einfacher Zollbeamter. Dennoch hatte man beide dem Gemeinsamen Team zugeteilt, und beiden war bewußt, daß das Team vornehmlich mit dem Ziel gebildet worden war, die künstlichen Lücken zwischen den einzelnen Abteilungen zu schließen. Jeden zweiten Samstag im Monat wurden alle Mitglieder, die nicht anderweitig beschäftigt waren, zu den informellen Gebetsversammlungen einberufen, die in einem düsteren kastenförmigen Gebäude am Ufer der Themse abgehalten wurden. Heute sprach eine kluge Frau von der Abteilung Recherche; ihr Vortrag beschäftigte sich mit der internationalen Kriminalität, mit dem jüngsten Stand des Weltuntergangs: - soundso viele Kilo waffenfähigen nuklearen Materials aus Beständen der ehemaligen Sowjetunion an diesen oder jenen Einzelgänger im Nahen Osten verkauft soundso viele tausend Maschinengewehre, automatische Waffen, Nachtsichtgläser, Landminen, Streubomben, Raketen, Panzer und Artilleriegeschütze unter Verwendung gefälschter Endverbraucherbescheinigungen zu Schleuderpreisen an den neuesten terroristenfreundlichen Despoten oder Drogenbaron in Afrika verhökert - soundso viele Milliarden an Drogengeldern in die sogenannte weiße Wirtschaft eingeschleust - soundso viele Tonnen Reinheroin über Spanien und Nordzypern in die folgenden europäischen Häfen geliefert - soundso viele Tonnen in den letzten zwölf Wochen auf den britischen Markt gekommen, Straßenverkaufswert soundso viele hundert Millionen, soundso viele Kilo beschlagnahmt, etwa 0,0001 Prozent der Gesamtmenge.
Illegale Betäubungsmittel, sagte sie freundlich, machten inzwischen ein Zehntel des gesamten Welthandelsvolumens aus.
Die Amerikaner ließen sich ihre Drogensucht achtundsiebzig Milliarden Dollar im Jahr kosten.
Die Weltproduktion an Kokain habe sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, an Heroin verdreifacht. Der Jahresumsatz dieser Industrie betrage vierhundert Milliarden Dollar. Die militärische Elite in Südamerika mache nicht mehr Krieg, sondern Drogen. Länder, die den Rohstoff nicht selbst anbauen könnten, beteiligten sich an dem Geschäft, indem sie Raffinationsanlagen und ausgeklügelte Transportsysteme zur Verfügung stellten.
Nichtbeteiligte Regierungen befänden sich in einer Zwangslage. Sollen sie den Erfolg der schwarzen Wirtschaft durchkreuzen vorausgesetzt, sie wären in der Lage dazu -, oder sollen sie an dieser Hochkonjunktur teilhaben?
Für Diktaturen, in denen die öffentliche Meinung nichts zähle, liege die Antwort auf der Hand.
In Demokratien herrsche eine Doppelmoral: diejenigen, die Nulltoleranz predigten, ließen die schwarze Wirtschaft frei agieren, während diejenigen, die Entkriminalisierung predigten, freies Geleit anböten - und dies nahm die kluge Frau zum Stichwort, um sich in die Höhle der Hydra zu schleichen. »Das Verbrechen existiert nicht mehr vom Staat
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